Verblasster Reiz
ICHdurchforste gerne die Umwelt nach Schmankerln aus der Unterhaltungsbranche. Früher war ich Stammgast in Trödlerläden, auf Flohmärkten und auf Tauschbörsen. Dann kam das Internet mit dem unbegrenzten Suchen und Stöbern. In der eigenen Stadt, im eigenen Land, auf anderen Kontinenten. Die ganze Welt ein Flohmarkt. Eine Befürchtung tauchte auf: Brauche ich eine größere Wohnung? So weit kam es nicht. Die Sache mit dem Internet entwickelte sich nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte.
Rückblick in die Achtziger: Beim zufälligen Aufstöbern einer gebrauchten Langspielplatte der Gruppe „The Wind in the Willows“aus dem Jahr 1968 in einem Laden in München wäre ich vor Freude am liebsten in die Luft gesprungen. Auf dem Hippieband-Cover war die junge Debbie Harry zu sehen. Zehn Jahre nach der Aufnahme sollte Debbie mit der Gruppe Blondie Weltkarriere machen. Hier auf dem Cover war noch nichts blond, Miss Harry trug schwarzes Haar. Ich hatte ein Frühwerk der Sängerin ergattert, das mir auch als damals glühenden Blondie-Fan unbekannt war.
Wer heute im Internet „Debbie Harry Vinyl“eingibt, sieht nach ein paar Klicks die Platte und findet Anbieter. Und weil das bei vielen einst rar gewesenen Objekten der Begierde so ist, verblasste der Reiz des Kaufens. Stöbern, finden, anschauen, ja. Aber kaufen? Es ist ja alles mehrfach und morgen noch da. Auch übermorgen und das vielleicht zu einem günstigeren Preis. Ich habe schon lange nichts mehr bestellt.
Vor wenigen Wochen waren Nachrufe zu lesen. Die britische Schauspielerin Diana Rigg ist nicht mehr. Da arbeitete es in meinem Kopf. Diana Rigg alias Emma Peel. Ungefähr zur selben Zeit, als Debbie Harry mit den „Willows“ musiziert hatte, stand Rigg als Agentin Emma Peel vor der Kamera. In der Klasse waren wir noch nicht erwachsene junge Männer aufeinander eifersüchtig, weil wir alle von Emma in der Fernsehserie „Mit Schirm, Charme und Melone“geschwärmt haben.
Mir ist auch eingefallen, dass ich einst lange erfolglos die Original-Langspielplatte mit der Musik zur Serie gesucht habe. Natürlich ist die Platte auf Ebay zu haben. Auf einem Flohmarkt der PreInternet-Ära hätte ich das Album angefasst, die Scheibe vorsichtig aus der Hülle genommen, sie auf Kratzer überprüft und mir zumindest überlegt, ob ich den angeschriebenen Preis verdaue. 60 Euro, damals halt in Schilling.
Seltsam, an den Kauf denke ich gar nicht. Am Cover kann ich mich, wenn ich will, täglich am Bildschirm erfreuen und zu hören gibt es die Musik im Netz auch. Gratis. Es ist alles da – aber fehlt nicht doch etwas?