Wie die Länder Österreich bauten
Ein neues Buch denkt Österreich „von unten“statt „von oben“.
Die Bundesverfassung, die heuer 100. Geburtstag feiert, legt in Artikel 1 fest, dass Österreich eine demokratische Republik ist und das Recht vom Volk ausgeht. Bereits in Artikel 2 wird unterstrichen, dass Österreich kein zentralistischer Einheitsstaat ist, sondern es heißt: „Österreich ist ein Bundesstaat. Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien.“
Den Wurzeln dieses Satzes geht ein Buch des Rechtshistorikers Wilhelm Brauneder nach. Er zeigt darin, dass man Österreich nicht „von oben“– also von den Babenbergern, den Habsburgern oder der heutigen Regierung aus – denken kann, sondern nur „von unten“, von den Ländern. Denn sie sind wesentlich älter als das heutige Österreich.
Brauneder schildert in dem unter anderem vom Land Salzburg geförderten Buch, wie die heutigen Bundesländer entstanden sind – nämlich aus dem Zusammenschluss ursprünglich kleinerer Landeseinheiten wie etwa dem Bregenzerwald oder dem Ischlland.
Historische Zufälle spielten dabei durchaus eine Rolle. Denn es war nicht von vornherein ausgemacht, dass zum Beispiel der Lungau zu Salzburg gehört (was er seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts tut) oder dass gleich drei der heutigen Bundesländer einen Anteil am Salzkammergut haben.
Brauneder – der als ehemaliger Dritter Nationalratspräsident auch politische Erfahrungen besitzt – verweist auf die historische Bedeutung der Landtage für den Bestand und die Einheit der einzelnen Länder. Er erinnert an die tragende Rolle der Bundesländer bei der Entstehung der Ersten wie auch der Zweiten Republik. Und er schildert den ewigen Kampf zwischen Zentralisten und Föderalisten quer durch die Jahrhunderte. Mit dem gegenwärtigen Mischzustand – halb zentralistisch, halb föderalistisch – sind die Parteien nicht unglücklich, resümiert der ehemalige FPÖ-Politiker. Denn die Existenz von zehn Parlamenten und zehn Regierungen sichere ihnen vielfache Einflussmöglichkeiten. An eine große Bundesstaatsreform glaubt Brauneder daher nicht.