Szenarien stricken mit Luftmaschen
Kein Kino: Auch für Filmverleiher ist dieser Herbst eine schwierige Zeit, sagt Michael Stejskal vom Filmladen.
WIEN. Nicht nur Filmproduktionen und die Kinobetreiber, auch die Filmverleiher müssen dieses Jahr flexibel sein und Pläne immer wieder umwerfen, selbst wenn es die schönsten Starpremieren sind. Michael Stejskal, Geschäftsführer des Verleihs Filmladen und Betreiber des Votivkinos in Wien, berichtet, was geplant war – und wie unklar die Situation momentan ist.
SN: Sie sind als Filmverleiher und als Kinobetreiber in den letzten Monaten doppelt betroffen gewesen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Michael Stejskal: Als Kino freuen wir uns über die 80% Förderung natürlich sehr, weil für uns der November dadurch gut abgefangen ist, aber als Verleih ist derzeit gar nichts für uns vorgesehen. Ob das noch repariert wird, ist unklar, wir Verleiher sind momentan noch in Verhandlung mit der Politik. Wir haben ja nicht nur 100% Ausfall, sondern nach dem März nun zum zweiten Mal verlorene Investitionen: Du kaufst die Rechte an einem Film, du hast den Start des Films vorbereitet mit Bewerbung und so weiter – und wenn das dann ein Film ist, der eine Woche vor dem Shutdown gestartet ist und gerade begonnen hätte, sich zu amortisieren, bist du im Minus statt im Plus. Bei den Filmen, die wir im November starten wollten, ist auf jeden Fall das Geld weg.
SN: Nun haben wir einen harten Lockdown, wie lang die Kinoschließungen danach noch aufrecht bleiben, ist unklar.
Wie kann man denn unter solchen Umständen planen?
Was wir an Zeit, Energie und auch Geld schon sinnlos verschwendet haben zwischen Mitte März und Mitte Mai, um verschiedene Szenarien zu stricken und zu versuchen, eine längerfristige Perspektive zu haben! Die letzten Monate haben uns gelehrt, dass das wenig bringt. Selbstverständlich müssen wir Dinge weiter vorbereiten, aber wir müssen flexibel und kurzfristig reagieren können, eine andere Chance haben wir nicht. Frühzeitig Kampagnen für Filme zu entwickeln, all das, was nach Schulbuchweisheit zur Verleiharbeit gehört, das kannst du im Moment vergessen. Meine Planungsperspektive reicht im Moment über sechs Wochen nicht hinaus, und das jeweils mit einem flexiblen Anfangsdatum, auf das wir keinen Einfluss haben.
SN: Kino funktioniert ja sehr jahreszeitabhängig. Wie ist der November üblicherweise?
Das ist einer der stärksten Monate überhaupt. Besonders bitter ist, dass wir für letzte Woche die Premiere von Viggo Mortensens Regiedebüt „Falling“geplant hatten. Da hast du einmal jemanden wie Viggo Mortensen, der gern mehrere Tage in Wien geblieben wäre, und dann muss er daheimbleiben. Das ist schon hart, wenn ein Mal in zehn Jahren so etwas passiert, dass ein Star zu solchen Bedingungen gekommen wäre.
SN: Wenn die Kinos wieder öffnen dürfen, wird es dann einen Rückstau von Filmen geben? Das war ja teils im
August der Fall, wo pro Woche bis zu zwanzig Filme verschiedener Verleihe gestartet sind.
Ja, die Filme nehmen einander dann auch Aufmerksamkeit und Publikum weg, dabei gab es nicht das Zuschauerpotenzial wie sonst, denn natürlich hat ein Teil der Leute Innenräume komplett gemieden aus Angst vor Ansteckung – auch wenn man im Kino sicherer ist als überall sonst. Aber die Erfahrung beim Wiederaufsperren im Sommer hat für mich sehr schön gezeigt, dass die Leute offenbar wirklich etwas vermisst haben, als die Kinos zu waren. Es gibt also ein Publikum, das gern ins Kino geht, derzeit ist es allerdings weniger.