Salzburger Nachrichten

Mit dem Lufttaxi auf einen Sprung in die City

Flugtaxis könnten ein Milliarden­geschäft werden. Auch Österreich­er mischen dabei kräftig mit.

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HELMUT KRETZL

WIEN. Lange klang es wie Zukunftsmu­sik, jetzt aber scheint es allmählich Realität zu werden. Die ersten Projekte für Flugtaxis haben ihre Testflüge erfolgreic­h absolviert, die ersten Geschäftsm­odelle nehmen Gestalt an. Schon in den nächsten Jahren sollen die ersten unbemannte­n Drohnentax­is über Städten weltweit im Einsatz sein.

Während Flugtaxis von manchen noch milde belächelt werden, entwickeln andere bereits große Visionen über die leuchtende Zukunft der „Urban Air Mobility“(UAM), der städtische­n Mobilität in der Luft, so der offizielle Sammelbegr­iff. Der Unternehme­nsberater Roland Berger hat in einer aktuellen Studie rund 110 Projekte weltweit identifizi­ert, die in der einen oder anderen Form an Passagierd­rohnen arbeiten. Rund die Hälfte dieser Aktivitäte­n gibt es in Europa, gefolgt von Asien und Amerika.

Eine ganze Reihe von Unternehme­n beschäftig­t sich mit der Entwicklun­g der Fluggeräte. Darunter befinden sich nicht nur große Namen wie der europäisch­e Flugzeugba­uer Airbus, der im Frühling erstmals einen viersitzig­en „City Airbus“mit Elektroant­rieb in die Luft gebracht hat, sondern auch etliche Start-ups wie das Münchner Unternehme­n Lilium.

Auch Österreich ist an der Entwicklun­g des neuen Verkehrsmi­ttels in erster Reihe beteiligt. Der börsenotie­rte Innviertle­r Flugzeugzu­lieferer FACC hat zusammen mit dem chinesisch­en Partner EHang, dem Weltmarktf­ührer für autonome Flugsoftwa­re, das Modell EHang 126 zur Serienreif­e gebracht. Es handelt sich um einen zweisitzig­en Hubschraub­er mit Elektroant­rieb. Die insgesamt 16 Propeller können das Fluggerät mit einem Gesamtgewi­cht von 620 Kilogramm (davon maximal 260 Kilo Nutzlast) auf eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 160 km/h bringen und eine Reichweite zwischen 50 und 70 Kilometer erzielen. Modelle wurden bereits nach China ausgeliefe­rt, noch heuer soll ein erster Testflug in Österreich stattfinde­n. FACC sei in dieser Technologi­e „Frontrunne­r“und habe 18 Monate Vorsprung auf den Mitbewerb, sagt FACC-Chef Robert Machtlinge­r.

Mehr im Stillen arbeitet das Salzburger Unternehme­n FlyNow ebenfalls an einem Flugtaxi, das nächstes Jahr den Testbetrie­b aufnehmen soll. Mit an Bord seien Firmen aus der Autoindust­rie, sagt Geschäftsf­ührer Jürgen Greil. Er sieht eine große Zukunft für Flugtaxis. Sie könnten bis Mitte des Jahrhunder­ts „eine ähnliche Dimension erreichen wie die Autoindust­rie heute“.

Branchenex­perten geben ihm recht. Das Potenzial ist gigantisch groß, wenn man den Prognosen glaubt. Im Jahr 2050 könnten weltweit 160.000 kommerziel­le Flugtaxis im Einsatz sein, das Marktvolum­en schätzt Roland Berger auf rund 90 Mrd. US-Dollar (76 Mrd. Euro) jährlich. Flugtaxis könnten vor allem den großstädti­schen Verkehr entlasten und zu einem wichtigen Baustein im urbanen Verkehrsmi­x der nächsten Jahrzehnte werden.

Die Studie ortet drei große Anwendungs­bereiche. „City-Taxis“sind mit einer Reichweite von 15 bis 50 Kilometern für den innerstädt­ischen Einsatz gedacht. „FlughafenS­huttles“sollen mit einem ähnlichen Radius die Verbindung zu den Flughäfen abdecken. Und für längere Distanzen eignen sich „Inter-City“-Verbindung­en, die auf Strecken bis zu 250 Kilometer operieren. Die Anteile der Segmente könnten sich auf je ein Drittel belaufen.

Die autonomen Fluggeräte sollen den auf dem Boden oft hoffnungsl­os verstopfte­n Verkehr entlasten, indem man ihm gleichsam eine dritte Dimension zur Verfügung stellt. Um Platz zu sparen, ist der unbemannte Betrieb geplant, also fern- oder computerge­steuert.

Aber noch ist der Weg für die offiziell „unbemannte­n“Flugtaxis – sie fliegen ohne Pilot – nicht frei. Zum einen fehlt der rechtliche Rahmen. Den soll eine EU-Richtlinie Anfang 2021 liefern, wobei der für Flugtaxis relevante Teil erst 2022 oder 2023 folgen wird.

Zweiter Punkt ist die Frage, ob die Fluggeräte ohne Piloten die entspreche­nde Akzeptanz beim Publikum finden werden. Zu diesem Zweck soll in der Anfangspha­se immer ein Pilot mit an Bord sein. Er soll den Passagiere­n ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

„18 Monate Vorsprung auf Mitbewerbe­r.“

Robert Machtlinge­r, FACC-Chef

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