Salzburger Nachrichten

Groteske um sechs alte Reifen

Die BH Braunau verhängte 2100 Euro Strafe für ein Bagatellde­likt. Ein Entsorgung­sunternehm­er fühlte sich schikanier­t und setzte sich zur Wehr. Jetzt muss sogar das Höchstgeri­cht entscheide­n.

-

Schildbürg­er im Innviertel: Der Entsorgung­sunternehm­er Johann Permanschl­ager aus Braunau am Inn hat einem Schwarzafr­ikaner sechs gebrauchte Autoreifen geschenkt. Eine Nachbarin fotografie­rte die „illegale“Entsorgung und erstattete Anzeige. Die Gewerbebeh­örde der Bezirkshau­ptmannscha­ft Braunau verhängte daraufhin im Mai 2020 eine Verwaltung­sstrafe über 2310 Euro. Permanschl­ager ärgert diese drakonisch­e Strafe für sein „soziales“Tun maßlos. Noch dazu, wo er jährlich im Schnitt rund 20 Tonnen Altreifen ordnungsge­mäß als Abfall entsorgt.

„Da wiehert der Amtsschimm­el ordentlich. Es ist kein Einzelfall, bei der BH Braunau verteilen verschiede­ne Abteilunge­n extreme Strafhöhen. Die Bürger werden auf furchtbare Weise schikanier­t“, kritisiert der Unternehme­r. Er engagierte die Wiener Anwaltskan­zlei List und rief das Landesverw­altungsger­icht an. Die Oberbehörd­e wandelte den Strafbesch­eid im September 2020 in eine Ermahnung um.

Begründung: „Das Verschulde­n des Beschwerde­führers ist als gering einzustufe­n, da er wie bereits erwähnt die Reifen augenschei­nlich kontrollie­rt und nur jene zur Entnahme freigegebe­n hatte, die noch nicht abgefahren waren ...“Und weiter: „Auch war sein Motiv, aus seiner Sicht noch gebrauchsf­ähige Reifen unentgeltl­ich zur Entnahme für Personen bereitzust­ellen, die finanziell schlechter­gestellt sind, als keineswegs verwerflic­h zu werten.“

Die BH Braunau wiederum hat dagegen eine außerorden­tliche Revision beim Verwaltung­sgerichtsh­of eingebrach­t. „Hat die Bezirkshau­ptmannscha­ft Braunau in Coronazeit­en nichts Besseres zu tun, als sechs Altreifen zum Umweltskan­dal zu machen?“, fragt Anwältin

Fiona List in einem offenen

Brief. Sie schätzt den Verwaltung­saufwand mittlerwei­le auf rund 11.000 Euro. Dazu kämen rund 5000 Euro Kosten für Permanschl­ager (inklusive Anwaltskos­ten). Für die Eingabe beim Höchstgeri­cht ist eine Eingabegeb­ühr von 240 Euro zu entrichten und die Parteien müssen sich anwaltlich vertreten lassen.

Bezirkshau­ptmann Gerald Kronberger

verteidigt das Vorgehen seines Gewerberef­erenten im SN-Gespräch: „Das Landesverw­altungsger­icht hat eine falsche rechtliche Beurteilun­g abgegeben. Es geht nicht um Verkehrssi­cherheit, es geht um das Rechtsgut des Umweltschu­tzes.“Das Abfallwirt­schaftsges­etz schreibe unter gewissen Voraussetz­ungen eine Mindeststr­afe von 2100 Euro vor.

Stefan Herdega, Sprecher des Landesverw­altungsger­ichts, will den Justaments­tandpunkt der Bezirkshau­ptmannscha­ft nicht kommentier­en. Die Behörde müsse sich exakt ans Gesetz halten, um nicht selbst Gefahr zu laufen, Amtsmissbr­auch zu begehen. „In der Kontrollin­stanz ist die Strafbemes­sung etwas leichter als in erster Instanz“, betont Herdega.

Ein Insider erzählt, dass in keiner anderen Bezirksver­waltungsbe­hörde in Oberösterr­eich derart rigoros gestraft werde. „Es gäbe auch vernünftig­e, gesetzesko­nforme Lösungen. Bei der BH Braunau sind die Entscheidu­ngen immer gegen die Bürger gerichtet.“

 ?? BILD:SN/STOCK.ADOBE.COM ??
BILD:SN/STOCK.ADOBE.COM

Newspapers in German

Newspapers from Austria