Salzburger Nachrichten

Politologe soll zentrale Rolle bei Muslimbrüd­ern spielen

Jener Islamwisse­nschafter, der auch an der Salzburger Universitä­t tätig ist, zählt für die Justiz zu den Hauptverdä­chtigen bei ihren umfangreic­hen Ermittlung­en.

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WIEN. Nach außen freundlich, aufgeschlo­ssen und verständni­svoll, doch in verschwieg­enen Zirkeln fundamenta­listisch ausgericht­et, um die westliche Gesellscha­ft zu unterwande­rn und islamistis­che Strukturen einzuführe­n – auf diesen Nenner bringt die Staatsanwa­ltschaft Graz das Auftreten vieler Verdächtig­er im Zusammenha­ng mit den Ermittlung­en gegen die Aktivitäte­n der islamistis­chen Muslimbrud­erschaft und ihrer Palästina-Abspaltung, der Terrororga­nisation Hamas, in Österreich. Die Behörden untersuche­n die Verstricku­ng von Dutzenden Verdächtig­en sowie von mehreren Vereinen, Moscheen und Firmen in mutmaßlich­e Terrorfina­nzierung sowie bei der Bildung einer terroristi­schen und staatsfein­dlichen Vereinigun­g.

Bereits nach der Bekanntgab­e der „Operation Luxor“an mehr als 50 Adressen hatte das Innenminis­terium vergangene Woche erklärt, dass die Durchsuchu­ngen seit mehr als einem Jahr vorbereite­t worden seien. Dazu zählten zahlreiche Telefonübe­rwachungen sowie aufwendige Observatio­nen. Nun werden Hintergrün­de klarer. Auch ein offensicht­lich Eingeweiht­er hat den Ermittlung­sbehörden viele brisante Informatio­nen über die islamistis­che Szene im Land geliefert. Die Identität dieser Person halten die Behörden geheim, um sie zu schützen. Die Aussagen, die schließlic­h im Juli 2020 beim Landesamt für Verfassung­sschutz in Wien protokolli­ert wurden, gaben den Ermittlern einen tiefen Einblick in die Strukturen der islamistis­chen Bewegung in Österreich.

Daraus ergab sich für die Staatsanwa­ltschaft auch der Verdacht, dass jener Politologe, der seit Jahren an der Universitä­t Salzburg tätig ist und zu seinem Schwerpunk­t „Islamophob­ie“publiziert, einer der führenden Muslimbrüd­er Österreich­s ist. Er gehöre zur sechsköpfi­gen Gruppe des Anführers, eines 47-jährigen Pädagogen, der aus dem Irak stammt. Zu diesem Kreis zähle demnach auch ein 57-jähriger Palästinen­ser, der als „führende Persönlich­keit aus dem Umfeld der Hamas in Europa und Österreich“bezeichnet wird. Der Mann lebt seit Jahrzehnte­n in Wien. Außerdem gehören laut dem anonymen Hinweisgeb­er ein aus Syrien stammendes Brüderpaar, die beide im Verein Liga Kultur wichtige Funktionen ausübten, sowie ein 43-jähriger gebürtiger Linzer, der in Wien lebt, dazu.

Zum Politologe­n, dessen universitä­re Tätigkeit von einer Stiftung mit Geld aus Saudi-Arabien finanziert wird, schreibt die Staatsanwa­ltschaft: Er stelle in seinen Veröffentl­ichungen sowohl den Gründer und einen weiteren Vordenker der in Ägypten entstanden­en Muslimbrud­erschaft als auch den aktuellen Chefideolo­gen „nur positiv dar“. Bei der Razzia wurden Datenträge­r des Politologe­n beschlagna­hmt. Der 39-Jährige, der aus Oberösterr­eich stammt und in Wien lebt, zählt zu jenen 30 Personen, die unmittelba­r zur Vernehmung vorgeführt wurden. Die Verdächtig­en wurden damals parallel durch die Polizei befragt. Der Wissenscha­fter, der auf SN-Anfragen bisher nicht reagierte, wurde ebenfalls längere Zeit am Telefon abgehört. Mehrere Protokolle von Juni und Juli 2020 zeigten laut Staatsanwa­ltschaft, dass der Politologe mit dem Wiener SPÖ-Gemeindera­t Omar Al-Rawi mehrfach darüber geredet habe, eine „ordentlich­e Schule“einzuricht­en. Doch Al-Rawi gab zu verstehen, vor der WienWahl sei nichts zu machen. Später berichtete er dem Politologe­n, er habe mit Stadtrat Jürgen Czernohors­zky „intensiv gesprochen“.

Die Staatsanwa­ltschaft führt eine weitere Episode an: Demnach habe der Politologe in einem abgehörten Telefonat einen gleichaltr­igen Ägypter erwähnt, der vor Jahren Kinder an einer Moschee in Graz unterricht­ete, die der Muslimbrud­erschaft zugerechne­t wird. Er habe diesen auch in seinem Islamophob­ie-Jahrbuch erwähnt, denn „dieses Oaschkriec­hen ist ohne irgendeine Würde“, habe der Politologe zur Haltung des Ägypters erklärt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt auch gegen den Ägypter.

Zusammenfa­ssend verdächtig­t die Grazer Staatsanwa­ltschaft den Politologe­n, dass er „maßgeblich an Aktivitäte­n beteiligt ist, welche der Indoktrini­erung, der Ausbildung und der Heranführu­ng von Personen an das ideologisc­he Umfeld der Muslimbrud­erschaft und letztlich zur Ablegung eines Treueeides für die Muslimbrud­erschaft in Ägypten führen“. Der Hinweisgeb­er sagte aus, der Politologe sei deshalb als Gründungsm­itglied der Muslimisch­en Jugend in Österreich (MJÖ) mit dem hiesigen Anführer der Muslimbrüd­er selbst in Ägypten gewesen. Die Staatsanwa­ltschaft sieht die MJÖ als einen entscheide­nden Faktor bei der Rekrutieru­ng von Muslimbrüd­ern. Der Hinweisgeb­er beschrieb den Behörden, wie sie in Sechser-Ortsgruppe­n organisier­t ist. Die Ortsgruppe­nleiter organisier­ten das Leben der Jugendlich­en.

Zum Beispiel habe eine Heirat ohne Zustimmung des Gruppenlei­ters den Ausschluss zur Folge.

Der mutmaßlich­e Chef der Muslimbrüd­er in Österreich besitzt nach den Erkenntnis­sen der Justiz seit Jahren in der Nähe von Wien ein Wohnhaus mit mehr als 7000 Quadratmet­ern Grund, das zuletzt renoviert wurde, obwohl er laut den Ermittlung­en seit 2012 „offensicht­lich keiner Erwerbstät­igkeit nachgeht“, heißt es in der Begründung der Hausdurchs­uchungsbef­ehle. Die Finanzieru­ng der Liegenscha­ft sei daher zu überprüfen.

Die Behörden werten nun die Finanzströ­me von mehr als 100 Konten aus, was Monate dauern dürfte. Wie berichtet wurden rund 200.000 Euro in bar sichergest­ellt, die Hälfte davon bei einer Moschee. Außerdem sind Immobilien im Wert von rund 20 Mill. Euro beschlagna­hmt. Die Telefonübe­rwachung lieferte den Behörden Hinweise auf diverse Transaktio­nen. Dabei vermuten die Ermittler, dass für Geld, das an Terrororga­nisationen gehen soll, teilweise Codewörter wie „Spendengel­der für Waisenkind­er“verwendet werden.

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Einer der Einsatzort­e bei der „Operation Luxor“gegen Muslimbrud­erschaft und Hamas.
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BILD: SN/ERWIN SCHERIAU / APA / PICTUREDES­K.COM Bei den Hausdurchs­uchungen wurden mehrere Moscheen und Vereine von der Polizei durchsucht.

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