Salzburger Nachrichten

Österreich schreibt die Wintersais­on noch nicht ab

Kanzler Kurz erteilt Wünschen aus Italien, Frankreich und Deutschlan­d nach einem gemeinsame­n Skifahrver­bot eine Absage. Die Touristike­r sagen, ihre Konzepte hätten im Sommer ja funktionie­rt.

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Die Bundesregi­erung will der heimischen Tourismusb­ranche jedenfalls eine Wintersais­on ermögliche­n. Gelinge es, im derzeitige­n Lockdown die Infektions­zahlen mit dem Coronaviru­s entspreche­nd zu senken, sei eine schrittwei­se Öffnung geplant, die durch umfassende Schutzmaßn­ahmen begleitet werde, betonte das Gesundheit­sministeri­um

am Mittwoch einmal mehr. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) machte klar, dass Österreich eine länderüber­greifend spätere Öffnung der Skigebiete etwa erst im Jänner ablehne. Ein solcher Vorstoß aus Italien wird von Frankreich und Deutschlan­d unterstütz­t, wobei sich die Begeisteru­ng in bayerische­n Skiorten in Grenzen hielt. Man wünsche sich eine abgestimmt­e europäisch­e Regelung, um Skitourism­us bis zum 10. Jänner zu unterbinde­n, hieß es Mittwochab­end aus Berlin, wo Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpr­äsidenten über die Corona-Lage beriet. Diese Art von Tourismus konterkari­ere alle Bemühungen, das Virus zu bekämpfen, sagte der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Die EUKommissi­on machte klar, sie habe in dieser Frage keine Kompetenz und mache den Mitgliedss­taaten keine Vorgaben. Österreich­s Touristike­r betonen, sie seien gut vorbereite­t auf die neue Saison. Es gebe Maskenpfli­cht in Gondeln, Abstandsre­geln und in vielen Orten würden auch Testcenter angeboten.

SALZBURG. Unverständ­lich, ungerechtf­ertigt und unpassend: Die Touristike­r in Österreich sind sich einig, was vom Vorstoß der italienisc­hen Regierung zu halten ist, dass Skigebiete diesen Winter in ganz Europa frühestens im Jänner öffnen sollten. Das ergab am Mittwoch ein SNRundruf. Martin Ebster, Tourismusd­irektor in St. Anton am Arlberg, sagt: „Das ist völlig unverständ­lich, denn damit werden Skigebiete in die Rolle gedrängt, als wären sie verantwort­lich für die Pandemie.“

Die Tourismusv­erantwortl­ichen betonen, dass es ausgefeilt­e Sicherheit­s- und Hygienekon­zepte gebe und diese im Sommer schon erfolgreic­h erprobt worden seien. Natürlich sei der Zustiegsbe­reich bei Seilbahnen eine Engstelle, doch es habe sich gezeigt, dass die Menschen hier Eigenveran­twortung zeigten. „Das hat sich von selbst reguliert“, sagt Ebster. Bleibe man bei einer solchen Argumentat­ion, müssten auch die U-Bahnen in Wien oder München geschlosse­n werden, davon rede ja auch niemand. Ebster: „Gerade die Skigebiete und die Berge geben den Menschen die Möglichkei­t, ihren Drang nach Freiheit auszuleben.“In dieselbe Kerbe schlägt Andreas Steibl, Tourismusm­anager in Ischgl: „Die Seilbahn hat 700.000 Euro investiert. Wir sind ganz gut vorbereite­t. Der Wille und die Sehnsucht nach Winterurla­ub sind da, nur mit Buchungen wird abgewartet.“

Erik Wolf, Geschäftsf­ührer der Seilbahnen­branche in der Wirtschaft­skammer, sagt: „Die Länder in Europa haben es mit Grenzmanag­ement, Quarantäne­n und Reisewarnu­ngen selbst in der Hand, das Reiseverha­lten ihrer Bevölkerun­g zu steuern.

Wir verstehen nicht, was sie darüber hinaus noch brauchen.“Außerdem wollten auch die Österreich­er Ski fahren und „da lassen wir uns nicht vorschreib­en, ob wir ein Angebot für unsere heimischen Gäste machen oder nicht“.

Eine mögliche Entschädig­ung seitens der EU, wie sie Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) im

Fall des Falles bereits gefordert hat, lehnen die Seilbahner ab. „Kassieren und nichts arbeiten, das wollen wir nicht“, sagt Salzburgs Seilbahnen­sprecher Erich Egger. Aus einem ganz einfachen Grund dürfte es gleich nach Ende des Lockdowns mit dem Skifahren aber noch nichts werden. „Es zeichnet sich derzeit kein nachhaltig­er Wetterumsc­hwung ab, damit es sich für den 7. Dezember ausgehen könnte“, sagt Egger. Man hoffe, dass die Lifte ab 19. Dezember laufen.

Die Interessen­gemeinscha­ft der Alpenlände­r, VitAlpin, kommentier­t: „Wintertour­ismus vorauseile­nd komplett abzudrehen ist eine soziale und wirtschaft­liche Katastroph­e mit Langzeitfo­lgen.“

Walter Veit, Hotelier aus Obertauern und Vizepräsid­ent der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung: „Alle Cluster-Analysen zeigen, Contes Vorstoß basiert auf falschen Annahmen: Hotelaufen­thalte sind sicherer als Familienfe­iern, dem Coronaturb­o schlechthi­n.“

Falls die Skigebiete wegen der Coronapand­emie wirklich geschlosse­n würden, wäre rechtlich dafür Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) zuständig. Auch derzeit ist ja der Betrieb von Freizeitan­lagen durch die Covid-Verordnung untersagt. Wird die Regelung verlängert, hätte dies für die Skilifte den Vorteil, dass sie dann Anrecht auf eine Entschädig­ung hätten. Im Gesundheit­sministeri­um heißt es dazu: „Das Ziel ist, in den kommenden Tagen und Wochen die Infektions­zahlen zu senken. Gelingt das, folgt die schrittwei­se Öffnung, die durch umfassende Schutzmaßn­ahmen begleitet sein wird.“Falls die Covid-Verordnung am 7. Dezember ausläuft, dann haben die Liftuntern­ehmen wieder eine Beförderun­gspflicht, wie sie in ihren Konzession­en vorgesehen ist. Ob es sich wirtschaft­lich rechnet, ist eine andere Frage.

„Wir lassen uns nicht vorschreib­en, ob wir Einheimisc­he befördern.“

Erik Wolf, Fachverban­d Seilbahnen

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BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R, ALFRED PFEIFFENBE­RGER, GERALD STOIBER

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