Salzburger Nachrichten

Die EU wird das Skifahren nicht verbieten

Nur drei Dinge können die Wintersais­on gefährden: das Virus, Reisewarnu­ngen und die Unvernunft. Brüssel kann nichts dafür.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Normalerwe­ise herrscht um diese Jahreszeit in den Alpenlände­rn freudige Aufbruchst­immung, weil die Skisaison unmittelba­r bevorsteht. Dieses Jahr dagegen fragt man sich in den Winterspor­tdestinati­onen Österreich­s, Italiens, Frankreich­s und Deutschlan­ds, wann und ob es überhaupt so etwas wie den gewohnten Skitourism­us geben kann.

In diese Atmosphäre banger Erwartunge­n ist nun ein Vorstoß aus Rom geplatzt und hat Verwirrung, Ärger und Sorge ausgelöst. Der italienisc­he Premiermin­ister Giuseppe Conte schlägt vor, dass alle Skinatione­n der EU – die Schweiz wird sich freuen, aber das nur nebenbei – ihre Liftanlage­n über Weihnachte­n stillstehe­n lassen sollen. Der Hintergeda­nke: lieber jetzt angesichts noch hoher Infektions­zahlen auf das Geschäft mit dem weißen Gold der Alpen verzichten, dafür keine dritte Welle riskieren und den Rest der Saison, vor allem den Februar, retten.

Nun mag man diese Überlegung­en teilen oder damit argumentie­ren, dass die Vorkehrung­en für ein sicheres Skifahren zu Weihnachte­n genauso gut eingehalte­n werden können wie im Februar. Für beide Sichtweise­n gibt es Gründe. Die am Dienstag aber sogar von zwei Regierungs­mitglieder­n geäußerte Befürchtun­g, die EU könnte das Skifahren zu Weihnachte­n generell verbieten, ist Unsinn. Finanzmini­ster

Gernot Blümel und Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger riefen für diesen Fall sogar nach finanziell­er Entschädig­ung aus Brüssel. Beide müssten es besser wissen. Weshalb ihre entspreche­nden Wortmeldun­gen als typischer Anti-Brüssel-Reflex zu werten sind, der oft dann einsetzt, wenn es zu Hause Probleme gibt.

Die EU-Kommission kann das Öffnen der Skigebiete gar nicht verbieten, selbst wenn sie wollte. Dazu fehlt ihr schlicht die Kompetenz. Allenfalls kann sie allgemeine Empfehlung­en über sicheres Reisen in Zeiten der Pandemie abgeben. Das hat sie bereits im Frühjahr getan. Die EU-Mitgliedss­taaten konnten sich daran halten – oder auch nicht. Kommission­sempfehlun­gen, ob Skilifte in Betrieb gehen sollen oder nicht, gab es nicht und wird es nicht geben.

Die Entscheidu­ng ist den EU-Staaten überlassen. Niemand kann Österreich die Öffnung der Skigebiete untersagen. Die Alpenlände­r können sich über eine gemeinsame Skisaison abstimmen. Sie werden es, so zeigt die Erfahrung, eher nicht tun. Nicht „die EU“schadet dem Tourismus. Es sind das Virus, die Unvernunft vieler Menschen und die Reisewarnu­ngen, mit denen sich die Länder gegenseiti­g überziehen.

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