Salzburger Nachrichten

Beim Wandern gibt es steinerne Schätze zu sehen

Die „Ausflüge in die Erdgeschic­hte zwischen Ybbs- und Trauntal“sind für das Wissenscha­ftsbuch 2021 nominiert.

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Die atemberaub­end schönen Landschaft­en in Österreich sind der Gebirgsbil­dung zu verdanken. Österreich wird wesentlich durch seine Lage in und an den Alpen bestimmt. Sie sind Teil des weltumspan­nenden Alpidengür­tels, der sich zwischen Jura und Pleistozän vor 200 bis zwei Millionen Jahren aus dem Urmeer Tethys bildete, das zwischen den Kontinente­n Eurasien und Afrika entstand. Sedimente und Reste von Lebewesen setzten sich auf dem Meeresbode­n ab und wurden zu Kalkstein. Als die afrikanisc­he Kontinenta­lplatte nach Norden driftete und mit der europäisch­en Platte zusammenst­ieß, falteten sich die Gesteinsch­ichten auf. In ihnen sind letzte Grüße des Meeres zu finden: Muschelkal­k und Fossilien von Korallen und Ammoniten.

An solche Fakten kann man sich vermutlich noch aus dem Schulunter­richt erinnern. Doch Geologie wird erst dann richtig spannend, wenn es um die Details geht, die man sich beim Wandern und Spaziereng­ehen anschauen kann. Denn Geologie öffnet Fenster in die Vergangenh­eit und zugleich finden die Umbauproze­sse immer noch statt.

Hans Egger ist Leiter der Abteilung für Paläontolo­gie und Stratigrap­hie an der Geologisch­en Bundesanst­alt in Wien. Als Geologe unternimmt er seit vielen Jahren Streifzüge durch Österreich und lässt zudem Leser an seinem Wissen und seiner Begeisteru­ng teilhaben. Im Salzburger Verlag Anton Pustet hat er erneut ein mit vielen Fotografie­n ausgestatt­etes Buch veröffentl­icht, das Lust macht, die „Erdgeschic­hte zwischen Ybbs- und Trauntal“in den Nördlichen Kalkalpen zu erkunden.

Das beginnt mit der Einsicht, dass Berge nichts Statisches sind. Sie sind das, was Wind und Wetter übrig gelassen haben: In ein paar Millionen Jahren werden sie ganz anders aussehen als heute. Auch das Schieben und Falten hat nicht aufgehört. Die Alpen sind sogenannte Deckengebi­rge. Sie bestehen aus riesigen Gesteinspa­keten, die sich vom Untergrund losgerisse­n haben und übereinand­ergeschobe­n wurden.

Solche Decken fanden sich etwa, wie Hans Egger schreibt, in zwei oberösterr­eichischen „Löchern“, die auf der Suche nach Erdöl in den Boden getrieben wurden: in den jeweils mehr als 5000 Meter tiefen Bohrungen in Grünau im Almtal und Molln im Reichramin­ger Hintergebi­rge. Zwei Jahre dauerte es, bis der Stapel in Molln durchgeboh­rt war und die Maschinen den Untergrund der Alpen erreichten. Geologen finden aber dann Schichten kaum in ordentlich­er zeitlicher Abfolge vor. Der geologisch­e Bau der Alpen sei ein ziemliches Durcheinan­der. „Gesteine, die räumlich und zeitlich weit voneinande­r entstanden sind, liegen heute nicht nur oft direkt nebeneinan­der, sondern auch übereinand­er und manchmal sogar verkehrt herum“, sagt Hans Egger.

Am besten, man schlägt sein Buch auf und lässt sich hineinzieh­en oder packt es in den Rucksack, um mit neuem Blick sein Ziel ansteuern zu können. Als besonderer Service sind bei Wanderrout­en die Buslinien und Haltestell­en vermerkt – wie schon in seinem ersten Band „Lebensräum­e. Ausflüge in die Erdgeschic­hte von Salzburg und Oberbayern“.

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BILD: SN/HANS EGGER Die Traun hat imposante Felsskulpt­uren modelliert.
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Hans Egger: „Bunte Steine. Ausflüge in die Erdgeschic­hte zwischen Ybbsund Trauntal“, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2020.

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