Smashing Pumpkins schlagen neue Töne an
Die Überlebenden der Gitarrenrock-Ära widmen sich auf dem neuen Opus „Cyr“dem Synthie-Pop. Düstere Poesie und Melancholie bleiben.
SALZBURG. „The colour of love is grey“, singt Billy Corgan. Der Songzeile zum Trotz leuchtet der Opener des neuen Opus der Smashing Pumpkins in schillerndsten Klangfarben. Strahlende Sounds aus Retro-Synthesizern ergänzen die Gitarrentexturen, die tanzbare Geradlinigkeit erinnert an den Post-Punk der frühen U2 oder Joy Division. Fans der ersten Stunde dürften sich verdutzt die Augen reiben.
Die Metamorphose bildet ein wichtiges Element der Popgeschichte. Eine besonders drastische Wandlung vollzogen Depeche Mode, die Synthie-PopHeroen erfanden sich in den 1990er-Jahren als Rockband neu. Selbst der Song „In Your Room“, der auf dem Album „Songs of Faith and Devotion“noch in dunkle Synthie-Klänge getaucht war, entpuppte sich auf der Single-Auskoppelung als GrungeNummer voller verzerrter Gitarren. Die Neufassung produzierte Butch Vig, der zuvor mit Nirvanas „Nevermind“den Sound der Generation X geprägt hatte.
Auch die ersten beiden Alben der Smashing Pumpkins trugen die Handschrift von Butch Vig, doch in mehrfacher Hinsicht zählt die Band aus Chicago zu den Überlebenden der Gitarrenrock-Ära. Auf dem wegweisenden Doppelalbum „Mellon Collie and The Infinite Sadness“von 1995 überwanden die Smashing Pumpkins die engen Grenzen des schnörkellosen Grunge-Genres und öffneten sich vielen Einflüssen. Es folgten Drogensucht, Bandauflösung und Comebacks mit wechselndem Personal und Erfolg.
Seit 2018 sind die Smashing Pumpkins wieder nahezu in der Originalbesetzung tätig. Mit dem Doppelalbum „Cyr“, das am Freitag erscheint, vollzieht die Band jedoch einen markanten Schwenk hin zum Synthie-Pop: Oftmals scheinen die Elektroklangwelten von Kraftwerk durch, hellen Synthie-Flächen den düsteren Stoner Rock von „Wyttch“auf und übernehmen in „Ramona“gar die Initiative.
Während das Vorgängeralbum „Shiny and Oh So Bright, Vol. 1“nach dem Rock-Erfolgskonzept von einst und dadurch erst recht nach Aufgewärmtem klang, findet Mastermind Billy Corgan mit den neuen Soundtüfteleien zu alter Songwriting-Qualität zurück. „I’m in love with your god, I’m in love with your fear“, sinniert Corgan in „Purple Blood“über pechschwarzen elektrischen Gitarren, um kurz darauf berührend hoffnungsvollen Chorgesang anzustimmen: „Fever by your side. Sun is so you cannot rise.“
Düstere Poesie und Melancholie, wie sie in diesem großen Moment eines vielschichtigen Albums wieder aufblitzt, ist seit jeher ein Markenzeichen der Smashing Pumpkins. Der Spätherbst ist die beste Zeit, um tief in diese Seelenwelten einzutauchen – im Lockdown mehr denn je.