ÖVP-interne Ränke im Ibiza-Ausschuss Kurz-ÖVP will Exparteichef Reinhold Mitterlehner über „das alte System“befragen.
Dient der Ibiza-Untersuchungsausschuss vornehmlich dazu, politisches Kleingeld zu münzen und alte Rechnungen zu begleichen? – Dieser Verdacht hat am Donnerstag neue Nahrung erhalten. Denn ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl begrüßte es überschwänglich, dass die SPÖ den früheren ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner als Zeuge vor den Ausschuss laden will.
„Ich bin sehr, sehr froh darüber, weil wir dann das alte System von Kern-Mitterlehner anschauen können“, sagte Gerstl. Ihn interessiere auch, warum die ehemalige rot-schwarze Koalition unter Christian Kern (dem damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Chef, Anm.) und Mitterlehner am schlechten System der Staatsholding ÖBIB nichts geändert habe.
Diese Aussagen sind insofern etwas überraschend, als Parteien es normalerweise als taktische Niederlage betrachten, wenn einer der Ihren vor den U-Ausschuss zitiert wird. Im Falle Mitterlehners ist das offensichtlich ganz anders.
Dazu muss man wissen, dass Mitterlehner über seinen Nachfolger als ÖVP-Chef, den heutigen Bundeskanzler Sebastian Kurz, ein bitterböses Buch geschrieben hat, in dem er mit Kurz abrechnete und dessen Politik scharf kritisierte.
Die Kurz-ÖVP scheint nun die Gelegenheit beim Schopf zu packen, sich dafür bei Mitterlehner zu revanchieren und mit der Politik der alten ÖVP als Juniorpartner der SPÖ abzurechnen.
Wie berichtet möchte die ÖVP auch Christian Kern in den U-Ausschuss
laden. Er soll darüber Auskunft geben, was er über das Angebot an die SPÖ, das Ibiza-Video um sechs Millionen Euro zu kaufen, wusste. Darüber hatte am Mittwoch der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda dem Ausschuss berichtet. Demnach sei Kern an dem Angebot, das im Frühjahr
2018 von den Machern des Videos an die SPÖ herangetragen worden sei, interessiert gewesen. Letztlich hätten sich die Verhandlungen, die über einen Anwalt geführt wurden, aber zerschlagen. Die Frage, ob die SPÖ das Video auch dann nicht genommen hätte, wenn es gratis zu haben gewesen wäre, wies Drozda als hypothetisch zurück.
Am Donnerstag wurde im IbizaAusschuss unter anderem Wolfgang Leitner, Chef der Firma Andritz, befragt. Seine Frau Cattina war von der ÖVP in den ÖBB-Aufsichtsrat entsandt worden. Davor hatte sie für den Wahlkampf eines ÖVP-Kandidaten 10.000 Euro gespendet. Ihrer Aussage nach hatte beides nichts miteinander zu tun.