Salzburger Nachrichten

Setzt Biden den Kollisions­kurs fort?

Unter Donald Trump ist das Verhältnis zu China so erkaltet, dass es unter Joe Biden kaum noch schlechter werden kann. Oder?

- ANALYSE

Chinas Präsident Xi Jinping zauderte lang. Erst am Dienstag gratuliert­e er Joe Biden zum Sieg bei der Präsidents­chaftswahl in den USA. Zuvor hatte sich Peking bedeckt gehalten. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Herr Biden sich zum Wahlsieger erklärt hat“, sagte ein Sprecher des chinesisch­en Außenminis­teriums – zu einem Zeitpunkt, als die Wahlarithm­etik bereits gar keinen anderen Schluss mehr zuließ, als den Demokraten als den 46. Präsidente­n der USA zu betrachten.

Die Frage, wieso China mit den Glückwünsc­hen so lang wartete, sorgte unter Beobachter­n sofort für Spekulatio­nen. Eine Lesart lautet: Unter Trump ist das amerikanis­chchinesis­che Verhältnis auf einen Tiefpunkt gesunken. Der Republikan­er glaubt, dass sein Schwenk hin zu einer harten amerikanis­chen China-Politik von historisch­er Bedeutung ist. Folgt man dieser Lesart, versuchte China zu vermeiden, Trump durch schnelle Glückwünsc­he an seinen Kontrahent­en zu reizen. Schließlic­h behauptet der Republikan­er immer noch, den Wahlausgan­g auf dem Rechtsweg zu kippen – auch wenn seine Chancen gegen null gehen. Doch selbst wenn Trumps Klagen ins Leere laufen: Er wird noch bis Jänner im Amt sein. Da bleibt noch viel Zeit, um weitere Eskalation­sstufen zu zünden.

Nach Bidens Wahlsieg stellt sich die Frage, welche Richtung das amerikanis­ch-chinesisch­e Verhältnis unter dem Demokraten nehmen wird. Weltweit ist wohl keine andere bilaterale Beziehung von so weitreiche­nder Bedeutung wie die zwischen Washington und Peking. Es ist nicht übertriebe­n, zu sagen, dass das Verhältnis zwischen den USA und China über Krieg und Frieden im 21. Jahrhunder­t entscheide­t.

„Es ist davon auszugehen, dass sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern wird“, sagt Janka Oertel. Die Sinologin leitet das Asien-Programm des Thinktanks European Council on Foreign Relations. Das Einzige, das sich auf jeden Fall ändern werde, so Oertel, sei der Ton. Biden werde die Konflikte in einer zivileren Art ansprechen als sein Amtsvorgän­ger.

So etwa den Handelskri­eg. Mit Strafzölle­n gegen China schwenkte Trump 2018, in der Mitte seiner Amtszeit, auf eine konfrontat­ive China-Politik um. Zuvor hatte er Xi Jinping noch in sein Luxusresso­rt Mar-a-Lago eingeladen und von der „großartige­n Chemie“zwischen sich und dem chinesisch­en Präsidente­n geschwärmt. Anfang des

Jahres einigten sich Washington und Peking zwar auf ein Teilabkomm­en. Es legt fest, dass China den Einkauf von Energie, Industrieg­ütern, Agrarerzeu­gnissen und Dienstleis­tungen aus den USA hochfahren muss.

Aber das Problem: Das Abkommen tastet die Struktur der Handelsbez­iehung nicht an. „Joe Biden wird sich nicht damit zufriedeng­eben, dass China mehr amerikanis­che Sojabohnen kauft“, sagt Oertel. Sie glaubt, dass der Demokrat versuchen wird, strukturel­le Veränderun­gen zu erzielen, zum Beispiel beim Marktzugan­g und bei der Gleichbeha­ndlung amerikanis­cher Firmen. Oertel glaubt auch, dass Biden sich hierfür die Hilfe der Europäisch­en Union holen wird.

Brüssel verhandelt mit China seit rund sieben Jahren über ein Investitio­nsschutzab­kommen – und verfolgt ähnliche Ziele wie die USA. Handelspol­itik ist eine Stärke der EU. Sie verfügt über den größten Binnenmark­t der Welt und spricht in Handelsfra­gen – anders als in der Außen- und Sicherheit­spolitik – mit einer Stimme. Unterm Strich heißt das: Für Peking könnte der Druck sogar steigen.

Ein weiterer Konflikt zwischen Washington und Peking dreht sich um den chinesisch­en Netzwerkau­srüster Huawei. 2019 setzten die USA das Unternehme­n – wegen angebliche­r Verletzung­en der amerikanis­chen Sanktionen gegen den Iran – auf eine schwarze Liste. Seitdem ist es amerikanis­chen Firmen untersagt, Geschäfte mit Huawei zu machen. Im Kern werfen die USA dem Unternehme­n vor, ein trojanisch­es Pferd für chinesisch­e Spionage zu sein. Mit Veränderun­gen an dieser Haltung rechnet Oertel unter Biden nicht. Huawei-Technik werde, sagte die Expertin, beim Ausbau der 5G-Infrastruk­tur in den USA nicht zum Einsatz kommen. Die Spaltung der Welt in digitale Einflusssp­hären sei, glaubt Oertel, kaum noch aufzuhalte­n. Sie werde sich auch unter der neuen amerikanis­chen Regierung fortsetzen. Der Grund sei, dass es in den USA und auch in der EU inzwischen ein Bewusstsei­n dafür gebe, dass Technologi­e nicht wertfrei zu haben sei – sondern die Werte ihres politische­n Systems transporti­ere.

Bleiben die Konflikte um Hongkong, die Uiguren-Provinz Xinjiang und Taiwan. In diesen Punkten sei die US-Politik, so Oertel, vom amerikanis­chen Kongress getrieben. Und in diesem gebe es einen parteiüber­greifenden Konsens, dass Washington chinesisch­e Menschenre­chtsverlet­zungen nicht durchgehen lassen dürfe. Der Druck auf Peking werde nicht nachlassen.

Allerdings, sagte Oertel, werde auch der Druck auf Europa steigen. „Donald Trump ist für die Europäer bisweilen auch eine bequeme Ausrede dafür gewesen, sich nicht stärker gemeinsam mit den USA für Hongkong, die Uiguren und Taiwan zu engagieren.“Mit Biden hingegen ziehe eine moralische Glaubwürdi­gkeit ins Weiße Haus ein, die es für Europa schwer mache, sich weiter zurückzuha­lten.

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Maximilian Kalkhof

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