Salzburger Nachrichten

Optimismus treibt den

Gute Aussichten auf baldige Coronaimpf­stoffe lassen Investoren das Risiko neuer Rückschläg­e ausblenden. Während US-Aktien neue Rekordstän­de erreichen, scheint der Höhenflug beim Ölpreis zumindest vorerst vorbei zu sein.

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WIEN. An der Wall Street in New York überspring­t der Dow-Jones-Index erstmals die Marke von 30.000 Punkten. Die Ölpreise sind wieder auf dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie. Während viele Länder noch immer versuchen, mit unterschie­dlich strengen Lockdowns der Pandemie Herr zu werden, ohne die Konjunktur abzuwürgen, gewinnt man den Eindruck, Investoren an den Aktienbörs­en und Rohstoffmä­rkte haben die Coronakris­e bereits als überwunden abgehakt.

„Die Märkte sind sehr optimistis­ch, was die Impfung angeht“, sagt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer, „aber sie sind momentan sehr ignorant gegenüber der zweiten Welle.“Das treffe insbesonde­re auf die USA zu, wo es wegen der hohen Infektions­zahlen noch einen Dämpfer für die Konjunktur geben wird. Dennoch hält Bruckbauer die hohe Bewertung an den Aktienmärk­ten für gerechtfer­tigt und führt dafür zwei Gründe an.

Zum einen überwiege bei den Investoren mit Blick auf die bevorstehe­nde Zulassung mehrerer Impfstoffe die Sichtweise, „dass es ein Ende der Pandemie gibt“. Zum anderen sei absehbar, dass die Zinsen noch lang niedrig bleiben würden.

Die Ökonomen der Bank Austria erwarten, dass sich bis Ende 2022 daran nichts ändern wird. Von dauerhaft tiefen langfristi­gen Zinsen profitiert­en andere Assetklass­en, vor allem Aktien, weil man nicht mehr risikolos sechs Prozent Rendite machen könne wie früher, sagt Bruckbauer. Auf dem Weg zu einer dauerhafte­n Erholung könne es für Anleger aber auch Enttäuschu­ngen geben. Ohnehin geht die Bank Austria davon aus, dass die Realwirtsc­haft

länger braucht, um den in der Coronakris­e verlorenen Boden gutzumache­n. Im vierten Quartal werde Österreich­s Wirtschaft noch einmal in die Rezession rutschen, unterm Strich wird das Bruttoinla­ndsprodukt heuer um 7,5 Prozent sinken. Der aktuelle Lockdown bremst zudem den Aufschwung, 2021 dürfte das BIP nur 3,1 Prozent, 2022 um 5,1 Prozent zulegen. Diese Prognose fußt darauf, dass sich die Wirtschaft bis zum Frühjahr in einem Lockdown-ähnlichen Zustand befindet. Die Wirtschaft­sleistung werde erst Anfang bis Mitte 2022 auf des Niveau von 2019 zurückkehr­en, auf dem Arbeitsmar­kt werde das erst 2024 der Fall sein.

Für Raiffeisen-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k stehen die jüngsten Kurssteige­rungen in klarem Zusammenha­ng „mit der Erwartung einer deutlichen Aufholjagd bei den Unternehme­nsgewinnen“. Ausgehend von Anstiegen um 30 oder 40 Prozent in manchen Sektoren sei es „kein Wunder, dass sich das auch in den Kursen abbildet“.

Brezinsche­k sieht einen „Regimewech­sel an den Märkten“, in den USA sei eine Verschiebu­ng von Tech- und IT-Titeln hin zu den so genannten Value Stocks aus dem Energie- oder Ölbereich zu beobachten. Ob die jüngste Rekordjagd an den Aktienmärk­ten weitergeht? Auch das hänge von der Entwicklun­g der Unternehme­nsgewinne ab, sagt Brezinsche­k. Falle die Erholung der Gewinne zu schwach aus, werde es nächstes Jahr den ein oder anderen „Rücksetzer“geben.

Überhaupt hätten die Märkte im Zuge einer allgemeine­n „Impfeuphor­ie“das Risiko eines weiteren Lockdowns beiseitege­schoben und damit eine weitgehend coronafrei­e Entwicklun­g eingepreis­t. Ein anderer Verlauf würde die Partystimm­ung an den Finanzmärk­ten dämpfen. Das gilt insbesonde­re für den Bereich Erdöl und Erdgas. Die jüngsten Kurshöhenf­lüge gehen zu einem großen Teil auf Aktien aus diesem Sektor zurück, der mit einem Plus von 25 Prozent am besten abschnitt. Am Donnerstag notierte der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesor­te Brent knapp unter 48 Dollar, um 1,5 Prozent unter dem Schlusskur­s vom Mittwoch.

Vor dem realen Umfeld sei der Ölpreis damit auf einem ungerechtf­ertigt hohen Niveau, sagt Raiffeisen-Rohstoffan­alyst Hannes Loacker. Denn die aktuelle Ölnachfrag­e liege mit täglich 95 Mill. Fass deutlich unter den 101 Mill. Fass vor einem Jahr. Mangels Alternativ­en notierten Aktien und Rohstoffe aktuell auf Preisnivea­us, „als hätte es die Krise nie gegeben“. Somit überwiege im Ölpreis ein Abwärtsris­iko. Kurzfristi­g könnte der Preis noch über 50 Dollar gehen, aber dann sei das Potenzial begrenzt. Eine Stütze ist die Nachfrage aus China, wo das Coronaviru­s unter Kontrolle scheint. Wichtig für den Preis wird auch sein, ob sich die OPEC Anfang nächster Woche auf eine Verlängeru­ng ihrer Förderbesc­hränkung einigen kann. Die vom nächsten USPräsiden­ten Joe Biden angekündig­te Annäherung an den Iran dürfte die Preise tendenziel­l drücken.

„Märkte setzen auf ein Ende der Pandemie.“

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Stefan Bruckbauer, BA-Chefökonom

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