Notre-Dame ist endlich gerettet
Die heiklen Abbauarbeiten eines verformten Gerüsts sind beendet. Vor dem Sommer 2021 starten die Restaurierungsarbeiten aber nicht.
PARIS. Es ist ein riesiger Krater, der sich an der Stelle auftut, wo sich einst die Vierung befand, also Haupt- und Querschiff zusammentreffen. Verformte, teils geschwärzte Metallstäbe liegen dort und zeugen von dem Drama, das sich vor gut eineinhalb Jahren abgespielt hat. Die Pariser Kathedrale NotreDame ist seit dem Brand am 15. April 2019 die berühmteste Baustelle der Stadt. Gerade lieferten Fotografen beeindruckende Bilder des mehr als 850 Jahre alten Gebäudes, die die Ausmaße der Zerstörung zeigen.
Dennoch sei es nun „gerettet“, sagte die französische Kultusministerin Roselyne Bachelot bei einer Anhörung vor der Nationalversammlung. Diese Woche konnte das Gerüst, das vor dem Brand für Bauarbeiten aufgestellt worden war und dessen rund 40.000 Metallteile sich durch die Hitze des Feuers teils stark verformt hatten, komplett entfernt werden. Es war bis zu 40 Meter hoch und wog rund 200 Tonnen. Der im Juni gestartete Abbau galt als heikle Angelegenheit, brachte er doch die Stabilität des Gebäudes in
Gefahr. „Diese Angst liegt definitiv hinter uns“, erklärte Bachelot. Das sind gute Nachrichten in schwierigen Zeiten. Die nächste Etappe wird nun der Aufbau eines provisorischen Schutzschirms sein, um das Gebäude vor Regen und Schnee zu schützen. Außerdem sollen die verbliebenen Teile ausgeräumt und die vier Wölbungen gereinigt werden, die sich in der Nähe des beschädigten Gerüsts befanden. Die Sicherungsarbeiten dürften sich noch bis Sommer 2021 hinziehen und erst im Anschluss kann die eigentliche Restaurierung beginnen. Am Ziel, das Gotteshaus zum 16. April 2024 wieder zu eröffnen, wird dennoch festgehalten.
Von dem rasch geäußerten Wunsch des Präsidenten Emmanuel Macron, die Kathedrale nicht völlig identisch wieder aufzubauen, sondern ihr auch einen „modernen Touch“zu verleihen, um das Drama dauerhaft sichtbar zu machen, wurde Abstand genommen. Denn viele wünschten, dass die Kathedrale so bald wie möglich wieder aussieht wie vor dem Feuer. Das gilt auch für den Spitzturm, den der Architekt Eugène Viollet-le-Duc erst im 19.
Jahrhundert hinzugefügt hatte und der beim Brand eingestürzt war.
Dennoch ist die Kontroverse zwischen Befürwortern einer exakten Rekonstruktion und Anhängern eines neuen Schliffs nicht beendet und dreht sich nun um Kirchenfenster und Mobiliar. Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit hatte eine mögliche zeitgenössische Erneuerung angesprochen. Diesem Vorschlag erteilte Kultusministerin
Bachelot nun eine Absage: Beim Innendekor entscheide der Staat, der die Charta von Venedig unterzeichnet habe, eine internationale Richtlinie zur Denkmalpflege. Ihr zufolge sei es unzulässig, alte Kirchenfenster durch moderne Kunstwerke zu ersetzen. „Es würde mich aber nicht stören, moderne Elemente in die Kapelle zu bringen.“Doch bis dies konkret wird, ist es noch ein weiter Weg.