Salzburger Nachrichten

„Vater der iranischen Bombe“ermordet

Der hochrangig­e iranische Atomphysik­er und Raketenspe­zialist Mohsen Fakhrizade­h ist am Freitag in seinem Wagen erschossen worden. Dem Außenminis­terium zufolge steckt Israel hinter dem Angriff.

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TEHERAN. Mohsen Fakhrizade­h war auf einer Autobahn im Osten Teherans unterwegs, als drei bewaffnete Männer das Feuer auf sein Auto eröffneten. Die Schlüsself­igur des iranischen Atomprogra­mms wurde bei dem Attentat schwer verletzt und verstarb wenige Stunden später im Krankenhau­s. Alle Bemühungen, ihn zu retten, seien erfolglos geblieben, berichtete das Teheraner Außenminis­terium, das in einer ersten Stellungna­hme Israel für den Anschlag verantwort­lich machte.

„Diese Feigheit zeigt die verzweifel­te Kriegstrei­berei der Täter“, twitterte der iranische Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif. Er forderte die internatio­nale Staatengem­einschaft auf, „diesen Akt des Staatsterr­ors zu verurteile­n“. Iranische Revolution­sgardisten kündigten „imminente Racheaktio­nen“an.

Der 63-jährige Kernphysik­er war Mitglied der iranischen Revolution­sgardisten. Als Leiter der Forschungs­und Innovation­sorganisat­ion im iranischen Verteidigu­ngsministe­rium befasste er sich zuletzt mit der Entwicklun­g von weit reichenden Feststoffr­aketen. Bereits 2011 hatte die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde Fakhrizade­h in einem Bericht als eine der führenden Persönlich­keiten hinter dem Projekt „Amad“genannt. Vier Jahre später verglich die „New York Times“den ermordeten iranischen

Wissenscha­fter mit dem US-Physiker Robert Oppenheime­r, der das Projekt, das im Zweiten Weltkrieg die ersten Atombomben produziert hatte, geleitet hatte.

„Merken Sie sich seinen Namen“, rief der israelisch­e Premiermin­ister

Benjamin Netanjahu, als er im April 2018 angebliche Beweise für ein geheimes iranisches Atomwaffen­programm mit dem Codenamen Amad präsentier­te. Ziel des von Fakhrizade­h geleiteten Forscherte­ams sei, fünf Atomspreng­köpfe mit jeweils zehn Kilotonnen TNT-Ausbeute für die Integratio­n in einer Rakete zu entwickeln. „Das ist das spezifisch­e Ziel von Projekt Amad. Das sind fünf Hiroshima-Bomben, die auf ballistisc­he Raketen gelegt werden“, behauptete Netanjahu während der Präsentati­on von 110.000 geheimen Dokumenten, welche der israelisch­e Geheimdien­st Mossad aus dem Iran gebracht haben soll.

Damit der Iran keine Atomwaffen entwickeln kann, unterzeich­neten im Sommer 2015 die fünf Atomwaffen-Supermächt­e und Deutschlan­d in Wien das internatio­nale Atomabkomm­en mit dem Iran. Darin verpflicht­ete sich Teheran, bis mindestens 2025 wesentlich­e Teile seines Atomprogra­mms drastisch zu beschränke­n. Laut israelisch­er Darstellun­g,

die später auch Donald Trump übernahm, basiert das Abkommen „auf Lügen“. Der scheidende US-Präsident kündigte im Sommer 2018 das Atomabkomm­en auf und verhängte massive Sanktionen, um den Iran zu zwingen, ein neues Abkommen mit weiter reichenden Auflagen zu verhandeln.

Dazu ist der Iran nicht bereit. Um Druck auf den Westen ausüben, hat Teheran das Atomabkomm­en in den letzten Monaten mehrfach gebrochen und inzwischen mehr als zwölf Mal so viel Uran angereiche­rt, wie der Vertrag gestattet. Die Anreicheru­ng auf knapp vier Prozent, betonen iranische Politiker und Wissenscha­fter, diene ausschließ­lich friedliche­n Zwecken.

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