Ein Lockdown, der nicht so heißt
Prinz Carl Philip und seine Frau Prinzessin Sofia haben sich mit dem Coronavirus angesteckt. Das teilte das schwedische Königshaus mit. Der 41-Jährige und seine 35-jährige Gattin hätten sich bereits am Mittwoch mit leichteren Krankheitssymptomen gemeinsam mit ihren Kindern in häusliche Quarantäne begeben. Im Anschluss sei die Coronainfektion festgestellt worden. Den beiden gehe es den Umständen entsprechend gut.
Die Ausbreitung des Virus macht nicht nur das schwedische Königshaus nervös – auch Ministerpräsident Stefan Löfven hat man selten so ernst vor die Presse treten gesehen wie in den vergangenen Wochen. „Geht nicht ins Fitnessstudio, nicht in die Bibliothek, verabredet euch nicht zum Essen, macht keine Partys“, mahnt Löfven. Statt auf Eigenverantwortung setzt man seit dieser Woche auf eine für schwedische Verhältnisse deutliche Versammlungsbeschränkung. Für öffentliche Zusammenkünfte gilt eine maximale Teilnehmerzahl von acht. Bisher waren es 50.
Das hat zur Folge, dass die Kulturbranche verstummt, Kinos, Konzertsäle, Theater schließen und das Stockholmer Freilichtmuseum Skansen, das in 129 Jahren seit Bestehen durch alle Krisen- und Kriegszeiten immer geöffnet war, erstmals seine Tore zusperrt. Restaurants dürfen nach 22 Uhr keinen
Alkohol mehr ausschenken. Verbote von Besuchen im Altersheim werden wieder auf den Weg gebracht und sogar Schulschließungen in Erwägung gezogen. Auch wenn in Schweden niemand von einem Lockdown sprechen will – das öffentliche Leben wird heruntergefahren. „Was wir jetzt tun, wird darüber entscheiden, wer zu Weihnachten noch unter uns ist“, sagte Löfven diese Woche. „Das mag hart und brutal klingen. Aber so hart und brutal ist die Wirklichkeit.“
Mehr als 6400 Menschen sind bisher in Schweden an einer Coronainfektion gestorben, das sind wesentlich mehr als in den skandinavischen Nachbarländern. Besonders betroffen sind neben Stockholm der Westen und Süden des Landes. In Westschweden werden die Laborkapazitäten derart knapp, dass die Behörden dort nun die Coronatests
in einem Münchner Labor auswerten lassen. 4000 Tests würden täglich nach Deutschland geflogen, berichtet die ARD.
Mit einer 14-Tages-Inzidenz von fast 580 steht Schweden nach Berechnungen der Europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC inzwischen schlechter da als Frankreich, Spanien oder Großbritannien.
Vor Kurzem schloss Staatsepidemiologe Anders Tegnell einen Lockdown noch aus. „Wir brauchen Maßnahmen, die die Menschen lang mittragen können“, sagte er. Doch viele seien müde geworden und hielten sich nicht mehr an die Empfehlungen, sagt Löfven. Die Kurskorrektur ist nun offensichtlich. Auch weil Tegnell, der zu den täglichen Pressekonferenzen immer persönlich und mit einem Pappbecher Kaffee erschien, sich nun digital zuschaltet.