Die Beendigung von Missständen darf keine neuen erzeugen
Türkis-Grün erhöht seine Werbeausgaben, doch lagert die Verteilung aus. Ein zweischneidiges System der Medienförderung.
Bis zu 210 Millionen Euro wird die Regierung in den nächsten vier Jahren für Werbung und PR ausgeben. Die Ausschreibung dieses gigantischen Etats platzt mitten in die Coronakrise mit ihren vielen offenen Fragen nach Wirtschaftshilfen. Doch nach erstem Erschrecken über den jüngsten türkis-grünen Kommunikationsüberfall zeigt sich ein positiver Aspekt.
Die Koalition schreibt damit ihre heurigen Ausgaben für Inserate und Kampagnen fort.
Sie sind krisenbedingt höher als zuvor. Das dient zur Information der Bevölkerung, ist aber auch Medienförderung. Ansonsten wirkt der durch Covid verursachte Anzeigeneinbruch in Verbindung mit dem Digitalisierungsschub insbesondere für Zeitungshäuser existenzgefährdend. In einem der höchstkonzentrierten Medienmärkte Europas wäre die Sich-selbst-Überlassung dieser Branche demokratiepolitisch fahrlässig. Der Wert von journalistischer Informationsleistung wird in der Krise besonders deutlich. Doch wie bei anderen Wirtschaftszweigen steht die wahre Herausforderung erst bevor. 2021 und folgende werden ökonomische Schicksalsjahre der Nachrichtenmedien.
Schon bisher fördern Einschaltungen der öffentlichen Hand indirekt Medien. Ab 5000 Euro stehen diese Ausgaben in einer Datenbank. In Summe waren das 180 Millionen pro Jahr. Das entspricht den Werbeausgaben des ReweKonzerns in Österreich. Doch während er seine Etats so wirkungsvoll wie möglich verteilt, vergibt die Politik das Geld freihändig in Schieflage. Eine Analyse des Medienhauses Wien zeigt, dass fast zwei Drittel der 2018 und 2019 von der Regierung dafür verwendeten 31 Millionen Euro bei drei Boulevardzeitungen gelandet sind. Der Konsument eines solchen Hauptstadtblatts war ihr bis zu fünf Mal so viel wert wie der Leser einer Bundesländerzeitung.
Aus dieser Perspektive ist die aktuelle Ausschreibung solcher Etats richtig. Sie müssen nach Effizienz und dürfen nicht aufgrund von Wohlwollen eingesetzt werden. Doch auch die Kritik der Opposition ist nachvollziehbar. Ihre Öffentlichkeitsarbeit gerät noch mehr ins Hintertreffen. Ausgerechnet die indirekt geförderten Medien müssen diesen Nachteil redaktionell ausgleichen.
Ordentliche Politik sieht anders aus. Sie deklariert klar, was sie tut. So wie dies mit der neuen Digitalförderung geschehen soll, die dank Digitalsteuer 20 Millionen betragen wird. Der zehn Mal so große Etatkuchen der Regierung ist aber bloß eine überfällige Beendigung von Missständen, durch die andere entstehen können. Regierungswerbung darf weniger denn je einem Parteiinteresse dienen. Die Koalition steht dabei ebenso unter Beobachtung wie die Medien, die davon profitieren.
Peter Plaikner