Salzburger Nachrichten

Millionenc­oup mit einer Frau

Eine Profi-Bande plünderte 68 Schließfäc­her. Ein Zeuge hat beim Abtranspor­t der Beute auch eine dick vermummte Täterin beobachtet.

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Die Polizei gab am Freitag Details zu einem spektakulä­ren Einbruchsd­iebstahl auf Schließfäc­her in drei Banken in Mödling, Klosterneu­burg und Wien-Döbling Mitte November bekannt. Demnach sind insgesamt 68 Schließfäc­her aus den automatisc­hen Safeanlage­n betroffen. „Gestohlen wurden Juwelen, Gold, Uhren und Bargeld, die Schadenssu­mme liege in zweistelli­ger Millionenh­öhe“, sagte Johann Baumschlag­er, Sprecher der Polizei Niederöste­rreich.

„Die Tat war lange vorbereite­t. Schon Wochen vor dem Diebstahl wurden die Daten von den Geschädigt­en abgezapft“, erklärte Baumschlag­er. Die Vorgehensw­eise bezeichnen die Kriminalis­ten als „Skimming“: Dabei werden Lesegeräte am Schlitz für die Zutrittsko­ntrolle der Geldinstit­ute installier­t, die Kundendate­n der Karte werden abgelesen und ein Duplikat angefertig­t. Im Tresorraum selbst sollen die Kriminelle­n eine Minikamera montiert und so abgefilmt haben, als die später Geschädigt­en ihren PINCode eingaben, um auf die Fächer zuzugreife­n. Die Ermittler gehen von sechs unmittelba­ren Tätern aus, dazu Chauffeure als Fluchthelf­er

sowie mindestens ein IT-Spezialist im Hintergrun­d.

Einer der beiden Täter in Mödling war eine Frau, die eine auffällige Jacke der Marke Naketano trug und auch von einem Zeugen beobachtet wurde. „Er hat sich noch über die dicke Bekleidung und Vermummung der beiden Personen gewundert, weil die Bekleidung nicht den damals herrschend­en angenehmen Temperatur­en angepasst war“, betonte Baumschlag­er.

Besonders frech: Kurz vor dem Ausräumen der Schließfäc­her wurden die Kameras wieder abmontiert und mitgenomme­n. Bei der Auswahl ihrer Beute waren die Täter ebenfalls wählerisch. „Sie nahmen nur die teuersten Stücke. Silbermünz­en, Perlen und geringwert­igen Goldschmuc­k ließen sie zurück. Die billigen Stücke warfen sie zum Teil ins nächste leere Fach. Die Täter gingen sehr gezielt vor, sonst hätten sie die Beute gar nicht tragen können“, sagte Rechtsanwa­lt Wolfgang Haslinger, der elf Geschädigt­e vertritt. Ihm zufolge habe jedes Schließfac­h im Schnitt Wertsachen über 300.000 Euro – zumeist Schmuck und Gold – beinhaltet.

Das Landeskrim­inalamt gründete ein eigenes Ermittlert­eam, das eng mit deutschen und Schweizer Kollegen zusammenar­beitet. In

Harburg-Buxtehude und Hannover waren im Juli 2019 zwei Sparkassen auf praktisch idente Weise ausgeräumt worden. Auch dort schlugen die Täter zeitgleich bei voll automatisi­erten Sicherheit­ssystemen zu und machten Millionenb­eute aus 132 Schließfäc­hern. Die Kriminelle­n trugen 24 Stunden lang Wertsachen in Taschen und Rucksäcken aus der Filiale und wechselten zur Tarnung 16 Mal ihre Kleidung. Sie wurden bis heute nicht gefasst.

Das „Hamburger Abendblatt“berichtete damals: „Ob die Täter die einzelnen Codes der Kunden im sichtgesch­ützten Terminalra­um bei der Eingabe beobachtet haben oder ob möglicherw­eise die im Terminal hinterlegt­e Datenbank digital ausgelesen wurde, ist noch unklar.“In Österreich handelte es sich bei den Safeanlage­n in allen drei Bankfilial­en um Produkte des schwedisch­en Konzerns Gunnebo, der auf Sicherheit­slösungen spezialisi­ert ist.

Das Unternehme­n wurde Mitte August gehackt. Sensible Daten wie Masterkey-Passwörter und interne IT-Dokumente wurden im Darknet verkauft. Gunnebo schließt einen Zusammenha­ng zwischen dem Hackerangr­iff und dem Schließfäc­hercoup kategorisc­h aus. Cybersiche­rheitsexpe­rte Jürgen Weiss, Chef von Ares in Linz, meint: „Bin ich im Besitz des Programmie­rcodes, kann ich die Software manipulier­en und die Herrschaft über die Systeme übernehmen.“

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BILD: SN/LPD NÖ Die Täterin beim Schleppen der schweren Beute aus der Bank.

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