Salzburger Nachrichten

Die Lichtgesta­lt in der Regierung von Präsident Joe Biden

Den Haushalt konsolidie­ren und die wirtschaft­lichen Beziehunge­n der USA neu ordnen: Janet Yellen traut man diese Aufgaben zu.

- WWW.SN.AT/WIENS

Seit bekannt wurde, dass der neu gewählte USPräsiden­t Joe Biden Janet Yellen zu seiner Finanzmini­sterin machen will, reißen die Ovationen für diese Personalen­tscheidung nicht ab. Biden wird für seine kluge Wahl gepriesen und über Yellen ergießen sich Lobeshymne­n von Ökonomen und Kommentato­ren. Yellen wird damit nicht nur die erste Frau sein, die es an die Spitze der US-Notenbank schaffte, sondern auch der erste weibliche Finanzmini­ster in der 231-jährigen Geschichte des Ressorts, die 1789 mit Alexander Hamilton als erstem Hüter der Staatsfina­nzen der Vereinigte­n Staaten begann.

Die erste Frau zu sein ist etwas, was Yellen begleitet, seit sie sich für die von Männern dominierte Ökonomie entschied. Die ausgewiese­ne Arbeitsmar­ktexpertin hat im Lauf ihrer langen akademisch­en und politische­n Karriere nie einen Zweifel daran gelassen, dass es ihr um die Menschen geht. In einem Interview sagte sie einmal, sie habe entdeckt, „dass die Wirtschaft­swissensch­aft

enorme Bedeutung für unser Leben hat und sie das Potenzial hat, die Welt zu einem besseren Platz zu machen“.

Diese Sichtweise auf die Ökonomie lässt auf eine deutliche Neuausrich­tung der daraus abgeleitet­en Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik der USA schließen, die künftig vor allem von Yellen gesteuert werden wird. In den vergangene­n Monaten hat sie sich öffentlich für ein großes Konjunktur­programm ausgesproc­hen, das wegen der Blockade im US-Senat auf Eis liegt.

Ihre Ernennung zur Finanzmini­sterin ist daher eine gute Nachricht für die Bürger der

USA, die unter den wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie stark zu leiden haben. Yellen wird auch zugetraut, dass zumindest Teile der ambitionie­rten Steuerplän­e Bidens umgesetzt werden können, weil sie auch bei den skeptische­n Republikan­ern hohes Ansehen genießt. Dort weiß man, dass die Sorge, dass mit Yellen die Staatsfina­nzen noch weiter aus dem Ruder laufen, als sie es unter Donald Trump taten, unbegründe­t ist. Yellen gilt zwar in der Geldpoliti­k als Taube, also der Gruppe von Notenbanke­rn, die die Zinszügel eher locker hält, aber in der Fiskalpoli­tik als streng. Mehrmals bezeichnet­e sie die Verschuldu­ng der USA, die mittlerwei­le die jährliche Wirtschaft­sleistung übersteigt, als untragbar. Hilfreich ist, dass sie beim Konsolidie­ren des Haushalts auf die Hilfe ihres Nachfolger­s in der Fed, Jerome Powell, zählen kann.

Als Finanzmini­sterin kommt Yellen auch eine wichtige Rolle in den internatio­nalen Wirtschaft­sbeziehung­en der USA zu. Sie ist bekennende Anhängerin des Freihandel­s, pocht aber auf klare Regeln. Chinas Führung erhält mit ihr ein Gegenüber, das anders als Trump nicht pokern und poltern, aber in Verhandlun­gen auf Prinzipien pochen wird. Das ist eine gute Nachricht – für die USA und die Welt.

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Richard Wiens

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