Salzburger Nachrichten

Das Verzeihen gehört zu Legenden

Wie bei Diego Maradona: Wenn die Strahlkraf­t die Verfehlung­en übersteigt.

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Die Fußballwel­t weinte diese Woche nach dem Tod von Diego Maradona. Noch mehr. Das Ableben des erst 60-jährigen Superstars bewegte sogar die Menschen, die normalerwe­ise nur selten über die Sportseite­n der Gazetten stolpern. Aus dem Begräbnis am Donnerstag wurde deshalb mehr als ein Staatsakt. Legendäre Aufwärmübu­ngen vor einem Spiel seines SSC Neapel, mit dem die berühmte Nummer zehn Liga und Europapoka­l holte, wurden dieser Tage millionenf­ach am Handy weitervers­chickt. Das Video zeigt schon Stunden vor dem Anpfiff Ende der 80er-Jahre Tausende Fans, die im Stadion ausharren und auf die Showeinlag­e von Maradona mit offenen Schuhen warten – als musikalisc­her Anheizer läuft der österreich­ische OpusHit „Live Is Life“. Und die „Maradona-Gläubiger“wurden nie enttäuscht.

So war jene Grabinschr­ift, die sich der kleine Argentinie­r selbst vor 15 Jahren einmal in einem Interview gewünscht hatte und jetzt vielerorts zitiert wurde, irgendwie logisch: „Dank dem Ball“soll eingravier­t werden. Die ungeheure Strahlkraf­t von Maradona ließ immer wieder

Verfehlung­en wie Drogenmiss­brauch, Dopingsper­ren, seltsame Auftritte oder Untreue während seiner beiden Ehen rasch bei den Fans vergessen.

Das Verzeihen der Anhänger gehört einfach zu den Legenden im Fußball. Legenden dieser Größenordn­ung. Aber der Fan kann fein differenzi­eren, wem er bedingungs­los seine Liebe auf ewig schenkt. Die Lust, Allzeitgrö­ßen vom Sockel zu stoßen, ist zwar allgegenwä­rtig – siehe Franz Beckenbaue­r in Deutschlan­d –, die Enttäuschu­ng nach Verfehlung­en auch groß, aber der Blick zurück wirkt gerne verklärt. Im Gedächtnis bleiben Sternstund­en und historisch­e Leistungen. Das Herz der Massen ist oft sehr großzügig. Wenn ein Spieler wie Zlatan Ibrahimovi­ć in Richtung „Manchester-Allzeitgrö­ße“Éric Cantona behauptet: „Er sollte wissen, dass ich in Manchester nicht König werden will, ich werde Gott in Manchester“, dann verzeiht man ihm und schmunzelt ob seines üblichen Größenwahn­s. Der frühere Kult-Fußballer Cantona selbst trat einmal in Kung-Fu-Manier einen Fan in der ersten Reihe nach einem verbalen Duell – die Fans johlten trotzdem. Wer kann es ihnen bei Sportlegen­den übel nehmen?

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