Das Verzeihen gehört zu Legenden
Wie bei Diego Maradona: Wenn die Strahlkraft die Verfehlungen übersteigt.
Die Fußballwelt weinte diese Woche nach dem Tod von Diego Maradona. Noch mehr. Das Ableben des erst 60-jährigen Superstars bewegte sogar die Menschen, die normalerweise nur selten über die Sportseiten der Gazetten stolpern. Aus dem Begräbnis am Donnerstag wurde deshalb mehr als ein Staatsakt. Legendäre Aufwärmübungen vor einem Spiel seines SSC Neapel, mit dem die berühmte Nummer zehn Liga und Europapokal holte, wurden dieser Tage millionenfach am Handy weiterverschickt. Das Video zeigt schon Stunden vor dem Anpfiff Ende der 80er-Jahre Tausende Fans, die im Stadion ausharren und auf die Showeinlage von Maradona mit offenen Schuhen warten – als musikalischer Anheizer läuft der österreichische OpusHit „Live Is Life“. Und die „Maradona-Gläubiger“wurden nie enttäuscht.
So war jene Grabinschrift, die sich der kleine Argentinier selbst vor 15 Jahren einmal in einem Interview gewünscht hatte und jetzt vielerorts zitiert wurde, irgendwie logisch: „Dank dem Ball“soll eingraviert werden. Die ungeheure Strahlkraft von Maradona ließ immer wieder
Verfehlungen wie Drogenmissbrauch, Dopingsperren, seltsame Auftritte oder Untreue während seiner beiden Ehen rasch bei den Fans vergessen.
Das Verzeihen der Anhänger gehört einfach zu den Legenden im Fußball. Legenden dieser Größenordnung. Aber der Fan kann fein differenzieren, wem er bedingungslos seine Liebe auf ewig schenkt. Die Lust, Allzeitgrößen vom Sockel zu stoßen, ist zwar allgegenwärtig – siehe Franz Beckenbauer in Deutschland –, die Enttäuschung nach Verfehlungen auch groß, aber der Blick zurück wirkt gerne verklärt. Im Gedächtnis bleiben Sternstunden und historische Leistungen. Das Herz der Massen ist oft sehr großzügig. Wenn ein Spieler wie Zlatan Ibrahimović in Richtung „Manchester-Allzeitgröße“Éric Cantona behauptet: „Er sollte wissen, dass ich in Manchester nicht König werden will, ich werde Gott in Manchester“, dann verzeiht man ihm und schmunzelt ob seines üblichen Größenwahns. Der frühere Kult-Fußballer Cantona selbst trat einmal in Kung-Fu-Manier einen Fan in der ersten Reihe nach einem verbalen Duell – die Fans johlten trotzdem. Wer kann es ihnen bei Sportlegenden übel nehmen?