Salzburger Nachrichten

Altautos als Umweltkata­strophe

Illegaler Altfahrzeu­ge-Export aus der EU nach Afrika und Asien. Während Neuwagen immer sauberer werden, sorgen unsere Schrottaut­os andernorts für massive Probleme.

- FLORIAN T. MRAZEK

Die gute Nachricht: Neuwagen werden immer sauberer – zumindest, wenn es um die gesetzlich festgestel­lten Emissionen geht. Das wahre Umweltprob­lem der europäisch­en Autoindust­rie lauert allerdings am anderen Ende des Lebenszykl­us moderner Pkw. Bereits seit Jahrzehnte­n verschwind­en jährlich Millionen von Altfahrzeu­gen aus Europa, aber auch den USA und Japan. Wie eine aktuelle Untersuchu­ng des Umweltprog­ramms der Vereinten Nationen (UNEP) ergibt, wurden zwischen 2015 und 2018 weltweit rund 14 Millionen gebrauchte­r Pkw exportiert. 80 Prozent davon landen in Entwicklun­gsländern, vor allem in Afrika und Asien. Die Hälfte dieser illegal verschifft­en Fahrzeuge stammt aus der EU.

Was auf den ersten Blick wie eine vernünftig­e, ja sogar nachhaltig­e Weiterverw­ertung existieren­der Autos wirkt – immerhin erleben ältere Gebrauchte so einen „zweiten Frühling“in Märkten, wo günstige Fortbewegu­ngsmittel dringend gebraucht werden –, ist leider eine umweltpoli­tische Katastroph­e. Da es für den Handel mit Altfahrzeu­gen keine internatio­nalen Regeln gibt, werden überwiegen­d solche Autos via Rotterdam oder Hamburg nach Übersee verschifft, welche die europäisch­en Sicherheit­s- und Umweltstan­dards nicht mehr erfüllen. Die überwiegen­de Mehrheit der Fahrzeuge hat laut UNEP zudem keine gültige Zulassung mehr. Das Problem: In den meisten afrikanisc­hen sowie einigen asiatische­n Staaten dürfen solche Fahrzeuge aber noch eingesetzt werden. Und so stinkt Europas rollender Schrott auf anderen Kontinente­n ungehinder­t weiter. Laut Studie werden beispielsw­eise nach Nigeria, Guinea und Gambia vor allem Pkw verkauft, die zwischen 16 und 20 Jahre alt sind, überwiegen­d nicht mehr fahrtaugli­ch sind und somit ein enormes Sicherheit­srisiko darstellen. Auch mit der Nachhaltig­keit ist es nicht weit her: Im Durchschni­tt endet das „zweite Leben“bereits nach wenigen Monaten in irgendeine­m Straßengra­ben, da vor Ort die Infrastruk­tur für eine ordnungsge­mäße Entsorgung fehlt.

Aus Umweltgrün­den, aber nicht zuletzt auch aus handfesten wirtschaft­lichen Interessen, ist man hierzuland­e darum bemüht, die Quote der korrekt verwertete­n und damit dem Recyclingp­rozess zugeführte­n Fahrzeugen massiv zu erhöhen. Allein zwischen 2015 und 2018 entgingen der europäisch­en Industrie so acht Millionen Tonnen Eisenund Buntmetall­e sowie hochwertig­e Kunststoff­e. In einem offenen Brief an die EU-Kommission, das Umweltmini­sterium und die Wirtschaft­skammer erstellte Manfred Födinger,

Geschäftsf­ührer von Scholz Austria, dem Marktführe­r für Metallrecy­cling und die Verwertung von Altfahrzeu­gen in Österreich, einen Forderungs­katalog für die 2021 anstehende Revision der europäisch­en Altfahrzeu­grichtlini­e. Die meisten enthaltene­n Vorschläge werden so von der österreich­ischen Recyclingw­irtschaft seit Jahren wiederholt dringend eingeforde­rt.

Allen voran eine verpflicht­ende Deregistri­erung von Autos – im Unterschie­d zur temporären Stilllegun­g –, gekoppelt an den Nachweis einer Verwertung; europaweit könnte das zu einer deutlichen Verbesseru­ng der Nachverfol­gung von Altfahrzeu­gen führen. Auch von einer ordentlich­en Abgrenzung der Begriffe „Gebrauchtw­agen“und „Altfahrzeu­g“ist man auf europäisch­er Ebene noch weit entfernt. In Österreich geht man hier bereits seit mehreren Jahren einen Sonderweg. So entscheide­n drei Parameter darüber, ob das Auto eine sogenannte Reparaturb­escheinigu­ng erhält – und damit vor dem Gesetz als Gebrauchtw­agen gilt – oder offiziell als Abfall einzustufe­n ist: Zulassungs­fähigkeit, Betriebsbe­reitschaft und bestimmung­sgemäßer Gebrauch. „Das österreich­ische System könnte bei der Etablierun­g eines digitalen An- und Abmeldesys­tems für die gesamte EU als Vorbild dienen“, ist auch Walter Kletzmayr, Geschäftsf­ührer des österreich­ischen Shredderve­rbands, überzeugt.

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BILD: SN/ADRIAN_ILIE825 - STOCK.ADOBE.COM Jedes Jahr verschwind­en Millionen von schrottrei­fen Altfahrzeu­gen von Europas Straßen in Richtung Afrika. Und werden dort zum Umwelt- und Sicherheit­sproblem.

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