Bei Vollmond, wenn ein Einhorn im Garten steht
Die Politik versucht unser Leben mit Corona bis ins Detail zu reglementieren, weil sie den Bürgern nicht vertraut. Das geht sicher schief.
Covid-19 ist dieser Tage die Todesursache Nummer eins in der Europäischen Union. 3000 Menschen stürben pro Tag an dem Virus, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Woche mit. Kein Wunder also, dass die Regierungen versuchen, die Ausbreitung des Virus mit allen Mitteln unter Kontrolle zu bringen.
Österreich ist da keine Ausnahme. Das Land befindet sich im Lockdown. Immer schärfer und immer detaillierter werden die Vorschriften. Dennoch scheint es so zu sein, dass die Maßnahmen nicht so gut greifen wie beim ersten Mal, als das Land heruntergefahren wurde.
Dafür gibt es viele Gründe, etwa dass viele Menschen, da eine Impfung vor der Tür steht, es nicht mehr so genau mit den Vorsichtsmaßnahmen nehmen oder dass sie schlicht und einfach von Corona nichts mehr wissen und ihr altes Leben zurückhaben wollen. Ein Hauptgrund dürfte aber sein, dass sich die Politik zusehends schwerer tut, klare und nachvollziehbare Regeln vorzugeben. Was da aus den Amtsstuben der Bürokratie kommt, kann durchaus mit einem Sudoku der höchsten Schwierigkeitsstufe mithalten.
Beispiel gefällig? Grundsätzlich gilt, dass während des Lockdowns nur „Einzelpersonen“eines Haushalts mehrere Personen eines anderen Haushalts treffen dürfen. Das gilt für „engste Angehörige“(Kinder, Eltern und Geschwister) ebenso wie für Kontakte mit „wichtigen Bezugspersonen“, dazu zählen auch Großeltern und andere Verwandte.
Allerdings gilt hier die Einschränkung, dass mit diesen Personen schon bisher mehrmals wöchentlich „physischer“Kontakt bestehen musste. Ausgenommen davon ist die Aufsichtspflicht über minderjährige Kinder. Die dürfen schon zu Oma und Opa oder auch zum Nachbarn, auch zu mehreren. Nicht gestattet ist es hingegen, dass die Eltern gleichzeitig mit ihren Kindern die Großeltern treffen. Außer wenn ein alleinerziehender Elternteil, der die Aufsicht über sein Kind ausübt, seine Eltern besucht. Dann dürfen einander Großeltern, Eltern und Kinder doch treffen. Aber feiern darf man dabei nicht. Weil Familienfeiern Zusammenkünfte sind, die
Das Leben ist nun einmal kompliziert
auf jeden Fall untersagt sind. Was kommt dann als Nächstes? Dass man jemanden zwar treffen darf, aber nur bei Vollmond zwischen 23 und 24 Uhr, wenn gleichzeitig ein Einhorn im Garten steht?
Wahrscheinlich darf man es den zuständigen Behörden und Politikern gar nicht übelnehmen, dass sie derart komplizierte Regeln erlassen. Das Leben und soziale Kontakte sind nun einmal vielschichtig, komplex und nicht über einen Kamm zu scheren. Weil man die Ansteckungen mit dem Virus so gut wie möglich verhindern will, dringt die Politik in Bereiche vor, die sich kaum jemand zuvor vorstellen konnte.
Diese Regulierungswut offenbart aber noch etwas anderes. Die Politik hat den Glauben an die Eigenverantwortung
der Bürgerinnen und Bürger verloren. Sie ist nicht mehr davon überzeugt, dass der Großteil der Bevölkerung durchaus versteht, warum derzeit solch massive persönliche Einschränkungen notwendig sind. Eben damit weniger Leute krank werden und sterben, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, damit wieder ohne Einschränkungen gereist werden kann.
Um diese Eigenverantwortung übernehmen zu können, braucht es klarerweise Regeln, aber solche, die nachvollziehbar, leicht verständlich, überprüfbar sind und sanktioniert werden können. Denn ehrlich: Halten sich die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr an die Vorschriften, dann hat die Polizei kaum die Möglichkeiten, sie durchzusetzen – und sie werden zu totem Recht. So wie das einst bei der Wahlpflicht bei der Bundespräsidentenwahl war. Die Hunderttausenden Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme trotz der Pflicht nicht abgaben, zu bestrafen war gar nicht machbar.
Gerade jetzt, einen Monat vor Weihnachten, denken Politiker und Beamte intensiv darüber nach, wie das Fest in diesem Coronajahr gefeiert werden kann, wer wen treffen darf und wie viele Personen sich um den Christbaum versammeln dürfen. Ein Anlass, der nach klaren Vorgaben schreit und bei dem man durchaus auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen könnte. Weil gerade zu Weihnachten wohl niemand das Virus als Geschenk zu seinen Lieben mitnehmen will.