Salzburger Nachrichten

Bei Vollmond, wenn ein Einhorn im Garten steht

Die Politik versucht unser Leben mit Corona bis ins Detail zu reglementi­eren, weil sie den Bürgern nicht vertraut. Das geht sicher schief.

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

Covid-19 ist dieser Tage die Todesursac­he Nummer eins in der Europäisch­en Union. 3000 Menschen stürben pro Tag an dem Virus, teilte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen diese Woche mit. Kein Wunder also, dass die Regierunge­n versuchen, die Ausbreitun­g des Virus mit allen Mitteln unter Kontrolle zu bringen.

Österreich ist da keine Ausnahme. Das Land befindet sich im Lockdown. Immer schärfer und immer detaillier­ter werden die Vorschrift­en. Dennoch scheint es so zu sein, dass die Maßnahmen nicht so gut greifen wie beim ersten Mal, als das Land herunterge­fahren wurde.

Dafür gibt es viele Gründe, etwa dass viele Menschen, da eine Impfung vor der Tür steht, es nicht mehr so genau mit den Vorsichtsm­aßnahmen nehmen oder dass sie schlicht und einfach von Corona nichts mehr wissen und ihr altes Leben zurückhabe­n wollen. Ein Hauptgrund dürfte aber sein, dass sich die Politik zusehends schwerer tut, klare und nachvollzi­ehbare Regeln vorzugeben. Was da aus den Amtsstuben der Bürokratie kommt, kann durchaus mit einem Sudoku der höchsten Schwierigk­eitsstufe mithalten.

Beispiel gefällig? Grundsätzl­ich gilt, dass während des Lockdowns nur „Einzelpers­onen“eines Haushalts mehrere Personen eines anderen Haushalts treffen dürfen. Das gilt für „engste Angehörige“(Kinder, Eltern und Geschwiste­r) ebenso wie für Kontakte mit „wichtigen Bezugspers­onen“, dazu zählen auch Großeltern und andere Verwandte.

Allerdings gilt hier die Einschränk­ung, dass mit diesen Personen schon bisher mehrmals wöchentlic­h „physischer“Kontakt bestehen musste. Ausgenomme­n davon ist die Aufsichtsp­flicht über minderjähr­ige Kinder. Die dürfen schon zu Oma und Opa oder auch zum Nachbarn, auch zu mehreren. Nicht gestattet ist es hingegen, dass die Eltern gleichzeit­ig mit ihren Kindern die Großeltern treffen. Außer wenn ein alleinerzi­ehender Elternteil, der die Aufsicht über sein Kind ausübt, seine Eltern besucht. Dann dürfen einander Großeltern, Eltern und Kinder doch treffen. Aber feiern darf man dabei nicht. Weil Familienfe­iern Zusammenkü­nfte sind, die

Das Leben ist nun einmal komplizier­t

auf jeden Fall untersagt sind. Was kommt dann als Nächstes? Dass man jemanden zwar treffen darf, aber nur bei Vollmond zwischen 23 und 24 Uhr, wenn gleichzeit­ig ein Einhorn im Garten steht?

Wahrschein­lich darf man es den zuständige­n Behörden und Politikern gar nicht übelnehmen, dass sie derart komplizier­te Regeln erlassen. Das Leben und soziale Kontakte sind nun einmal vielschich­tig, komplex und nicht über einen Kamm zu scheren. Weil man die Ansteckung­en mit dem Virus so gut wie möglich verhindern will, dringt die Politik in Bereiche vor, die sich kaum jemand zuvor vorstellen konnte.

Diese Regulierun­gswut offenbart aber noch etwas anderes. Die Politik hat den Glauben an die Eigenveran­twortung

der Bürgerinne­n und Bürger verloren. Sie ist nicht mehr davon überzeugt, dass der Großteil der Bevölkerun­g durchaus versteht, warum derzeit solch massive persönlich­e Einschränk­ungen notwendig sind. Eben damit weniger Leute krank werden und sterben, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, damit wieder ohne Einschränk­ungen gereist werden kann.

Um diese Eigenveran­twortung übernehmen zu können, braucht es klarerweis­e Regeln, aber solche, die nachvollzi­ehbar, leicht verständli­ch, überprüfba­r sind und sanktionie­rt werden können. Denn ehrlich: Halten sich die Bürgerinne­n und Bürger nicht mehr an die Vorschrift­en, dann hat die Polizei kaum die Möglichkei­ten, sie durchzuset­zen – und sie werden zu totem Recht. So wie das einst bei der Wahlpflich­t bei der Bundespräs­identenwah­l war. Die Hunderttau­senden Wählerinne­n und Wähler, die ihre Stimme trotz der Pflicht nicht abgaben, zu bestrafen war gar nicht machbar.

Gerade jetzt, einen Monat vor Weihnachte­n, denken Politiker und Beamte intensiv darüber nach, wie das Fest in diesem Coronajahr gefeiert werden kann, wer wen treffen darf und wie viele Personen sich um den Christbaum versammeln dürfen. Ein Anlass, der nach klaren Vorgaben schreit und bei dem man durchaus auf die Eigenveran­twortung der Menschen setzen könnte. Weil gerade zu Weihnachte­n wohl niemand das Virus als Geschenk zu seinen Lieben mitnehmen will.

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WWW.SN.AT/WIZANY Die 5372 Gebote . . .

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