Donald Trump zwischen Wut und Wahn
Ein bewaffneter Mob stürmte das Kapitol in Washington. Der abgewählte Präsident hat ihn dazu angestachelt.
Grölende und schreiende Bewaffnete dringen in den Sitz des Parlaments ein. Sie zertrümmern Fensterscheiben, zerstören Mobiliar, stürmen Büros der Abgeordneten. Schüsse fallen. Es gibt Verletzte. Chaos herrscht. Fotos zeigen Männer in Fantasieuniformen, manche tragen schusssichere Westen. Einer lümmelt mit gereckter Faust im Senatssaal auf dem Platz des Vorsitzenden. Das ist kein Umsturz in einem notorisch instabilen Land in Südamerika, Afrika oder Zentralasien. Die Szenen spielten sich im Kapitol in Washington ab, dem Sitz von Repräsentantenhaus und Senat, die zu einem Formalakt zusammengetreten waren: Sie sollten die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen am 8. November beglaubigen.
Donald Trump, der Wahlverlierer, hatte seine Anhänger kurz vor dem Sturm auf das Kapitol noch aufgehetzt. Seit Wochen behauptet er ohne jeden Beweis, die Wahlen seien gefälscht. Dass Dutzende Gerichte, sämtliche Wahlbehörden, die eigenen Ministerien, die Parlamente der Bundesstaaten und deren Regierungen nicht den geringsten Hinweis auf ernstzunehmende Unregelmäßigkeiten gefunden haben, war egal.
Für Trumps fragiles Ego wäre das Eingeständnis der Wahlniederlage vernichtend, daher darf und kann es die Wahrheit nicht akzeptieren. Mit zunehmender Verzweiflung, pendelnd zwischen Wut und Wahn, versucht Trump, den Sieg Joe Bidens ungeschehen zu machen – und sei es, dass die amerikanische Demokratie daran zerbricht.
Die wirre Psyche dieses Mannes ist das Eine. Das Andere ist die erbärmliche Rolle der Republikaner, deren Führung bis zuletzt überzeugt war, die Geister unter Kontrolle halten zu können, die Trump beschwor. Zu wichtig erschien, dass er tat, was sie von ihm wollten: Steuern senken, Umweltauflagen demontieren, die Wall Street und die eigenen Geschäfte fördern. Und zu wichtig war vielen Republikanern die Aussicht auf Posten und Einfluss, denn wer weiß: Was, wenn Trump der starke Mann der Partei bleiben sollte?
Das dürfte trotz aller gebotenen Zurückhaltung nun unvorstellbar sein. Ein Präsident, der einen gewaltsamen Angriff auf das Parlament orchestriert, um das Ergebnis einer demokratischen Wahl auszuhebeln und im Amt zu bleiben, ist ein Putschist. Er muss die Folgen tragen. Dafür aber, dass es überhaupt soweit kommen konnte, trägt eine einst stolze amerikanische konservative Partei die politische Verantwortung: die Republikaner.