Notfallplan gegen das Impfchaos
Start der flächendeckenden Impfungen wird vorgezogen.
Nach Kritik an den nur zögerlich anlaufenden Coronaimpfungen reagiert die Regierung nun mit einem Notfallplan. „Wir ziehen die Impfungen vor und warten nicht auf den 12. Jänner“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch. Tags zuvor hatte die zuständige Beamtin im Gesundheitsministerium das Festhalten am ursprünglich vorgesehenen offiziellen Impfbeginn noch mit der logistischen Herausforderung eines tiefgefrorenen Impfstoffs begründet und gemeint, dass man sich „genau im Plan“befinde.
Kurz sieht das jetzt anders: Es gebe keinen Grund, dass Impfdosen über Wochen zwischengelagert werden. Diese müssten nun rasch ausgeliefert und verimpft werden. Gestern habe es dazu Gespräche mit dem Verteidigungsressort, dem Gesundheitsministerium und Ländern gegeben. Dabei sei vereinbart worden, den breitflächigen Impfstart zu beschleunigen.
Österreich könne den europäischen Beschaffungsprozess nicht beeinflussen, so Kurz. „Aber was wir tun können und tun müssen, ist, dass jeder gelieferte Impfstoff schnellstmöglich verteilt und verimpft wird.“Vorrang hätten alle Altenund Pflegeheime. Diesbezüglich sei man mit den Ländern und Pflegeheimen in Kontakt. Werden Impfdosen dort noch nicht abgerufen, sollen diese an die Bundesländer übergeben werden, damit ältere Menschen, die nicht in Pflegeheimen leben, sowie medizinisches Personal schnell geimpft werden können, erklärte der Kanzler.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Gesundheitsminister
Rudi Anschober (Grüne) appellierten am Mittwoch an die Einrichtungen in allen Bundesländern, die Impfstoffe abzurufen. „Nur wenn der Impfstoff auch angefordert wird, können die zuständigen Stellen die Impfstoffe auch liefern“, so Tanner. Die Auslieferung hat das Bundesheer übernommen.
Laut Anschober sind für diese Woche von den Pflegeheimen bisher 21.045 Impfdosen angefordert worden, für die kommende Woche sind es 43.115 Impfdosen. Mit den bisher rund 6800 Geimpften lautet das für kommende Woche angepeilte Ziel somit, knapp 71.000 Personen gegen das Coronavirus zu impfen.
Aufgeteilt nach Bundesländern sollen bis kommende Woche in Niederösterreich 18.445 Personen geimpft werden. Dahinter kommt Wien mit 9415 Geimpften, gefolgt von Vorarlberg (8460), Steiermark (8455), Kärnten mit Osttirol (8345), Oberösterreich (5650) und Tirol (5120). In Salzburg sollen es laut Plan bis kommende Woche 4970 Geimpfte sein, im Burgenland 2070.
Ein Problem scheint es zu sein, den genauen Bedarf an Impfdosen für jedes Pflegeheim festzustellen, da die Impfung ja freiwillig erfolgt. Aus diesem Grund kam es in einem Seniorenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien zu einem Vorfall, der viel Staub aufwirbelte: Nach der Impfung von 343 Bewohnern und Betreuern blieben 30 Impfdosen übrig, da das Personal
eine geringere Impfbereitschaft zeigte als erwartet. Damit die aufgetauten Impfdosen nicht verderben, suchte die Heimleitung rasch hausfremde Personen, die sich impfen lassen würden. Unter anderem wurden zwei Personen unter 30 Jahren und der Präsident der Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, geimpft. Nachdem Kritik laut geworden war, sagte Deutsch, es sei ein Fehler gewesen, sich impfen zu lassen.
In den sogenannten sozialen Netzwerken schlagen solche und andere Meldungen derzeit hohe Wellen. In Wien sah sich eine Privatklinik dazu veranlasst, Gerüchte zu dementieren, hinter ihren Mauern würden sich erste österreichische Opfer mit Coronaimpfschäden befinden. Die Klinik weist dies als
Zwischenfall in Wien: Auch unter 30-Jährige wurden geimpft
Falschmeldung und als kriminelle Verunsicherung der Bevölkerung zurück.
Mit schwersten Geschützen gegen die Regierung fährt die Opposition auf. Die SPÖ will am Donnerstag eine Sondersitzung des Nationalrats wegen „Chaos, Zögern und Pannen“bei der Coronaimpfaktion beantragen, wie Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sagte. Sie nennt das bisherige Vorgehen der Regierung fahrlässig. FPÖ-Obmann Norbert Hofer nennt die Impfpannen einen „letzten Anschlag auf die besonders gefährdeten Mitmenschen in den Heimen“. Und Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker ortet in Sachen Coronaimpfungen ein „erbärmliches Versagen auf höchster Ebene“.