Österreich durchlebt Corona-Chaostage
Wie in anderen Staaten ist die Regierung auch bei uns mit dem Impfprozess überfordert. Sie sollte das wenigstens zugeben.
Wie kann es sein, dass sich die Regierung nicht die notwendige Unterstützung der Opposition gesichert hatte, ehe sie das Konzept des Freitestens verkündete? Wie kann es sein, dass die Skigondeln offen und die Konzertsäle zu sind? Wie kann es sein, dass Tausende Impfdosen irgendwo herumliegen, während Millionen auf eine Impfung warten? Und wie kann es sein, dass manche Heime keinen und andere zu viel Impfstoff erhalten? – Wer sich diese Fragen stellt, kommt nicht umhin festzustellen: Was in Österreich momentan herrscht, ist das nackte Chaos.
Die Gründe dafür kann man sich einigermaßen zusammenreimen, zumal ja andere Staaten mit gleichen Problemen kämpfen: Es ist logistisch eine Herausforderung, einen Impfstoff zu verteilen, der bei minus 70 Grad gelagert werden muss. Es ist nicht leicht herauszufinden, in welchem Heim wie viel Impfstoff gebraucht wird, wenn die Impfbereitschaft schwankt. Es ist nicht einfach, an zusätzliche Impfdosen heranzukommen, wenn man – anders als die Briten – an den EU-Gleichklang gebunden ist und wenn man – anders als Israel – nicht bereit ist, den doppelten Preis zu bezahlen.
All das kann man sich bei gutem Willen zusammenreimen. Man hätte es aber gern von der Regierung gehört. Es kann nicht sein, dass unsere Schönwetterregierung dann, wenn es etwas Positives zu verkünden gibt, Medienauftritte im Stundentakt absolviert, sich aber dann, wenn die Lage nicht ganz so positiv ist, hinter ihren Beamten versteckt.
Die Regierung trägt mit dieser verunglückten Kommunikation viel zum Eindruck des Chaos und zum Unverständnis in der Bevölkerung bei. Es würde Sebastian Kurz und Rudolf Anschober, die ja sonst so gern reden, kein Stein aus der
Krone fallen, wenn sie zugeben: Das ist uns an Fehlern passiert, die Gründe dafür sind folgende, aber wir tun jetzt das, um die Scharte auszuwetzen. – In jedem Seminar für Krisenkommunikation wird das als kleines Einmaleins zur Wiedergewinnung von Vertrauen unterrichtet. Aber unsere Regierung schweigt.
Dass die Oppositionsparteien in diese gähnende Leere (und nichts anderes bedeutet das Wort Chaos) vorstoßen und massive Kritik an den Impfversäumnissen üben, ist ihr gutes Recht. Wie glaubhaft das speziell im Falle der FPÖ ist, die seit Monaten gegen Impfen, Masketragen und Testen agitiert, steht auf einem anderen Blatt. Und man selbst? Man selbst kann sich – je nach Temperament – nur ärgern oder sich mit einer Dosis Gelassenheit impfen.