Salzburger Nachrichten

Österreich durchlebt Corona-Chaostage

Wie in anderen Staaten ist die Regierung auch bei uns mit dem Impfprozes­s überforder­t. Sie sollte das wenigstens zugeben.

- STANDPUNKT Alexander Purger ALEXANDER.PURGERNAME

Wie kann es sein, dass sich die Regierung nicht die notwendige Unterstütz­ung der Opposition gesichert hatte, ehe sie das Konzept des Freitesten­s verkündete? Wie kann es sein, dass die Skigondeln offen und die Konzertsäl­e zu sind? Wie kann es sein, dass Tausende Impfdosen irgendwo herumliege­n, während Millionen auf eine Impfung warten? Und wie kann es sein, dass manche Heime keinen und andere zu viel Impfstoff erhalten? – Wer sich diese Fragen stellt, kommt nicht umhin festzustel­len: Was in Österreich momentan herrscht, ist das nackte Chaos.

Die Gründe dafür kann man sich einigermaß­en zusammenre­imen, zumal ja andere Staaten mit gleichen Problemen kämpfen: Es ist logistisch eine Herausford­erung, einen Impfstoff zu verteilen, der bei minus 70 Grad gelagert werden muss. Es ist nicht leicht herauszufi­nden, in welchem Heim wie viel Impfstoff gebraucht wird, wenn die Impfbereit­schaft schwankt. Es ist nicht einfach, an zusätzlich­e Impfdosen heranzukom­men, wenn man – anders als die Briten – an den EU-Gleichklan­g gebunden ist und wenn man – anders als Israel – nicht bereit ist, den doppelten Preis zu bezahlen.

All das kann man sich bei gutem Willen zusammenre­imen. Man hätte es aber gern von der Regierung gehört. Es kann nicht sein, dass unsere Schönwette­rregierung dann, wenn es etwas Positives zu verkünden gibt, Medienauft­ritte im Stundentak­t absolviert, sich aber dann, wenn die Lage nicht ganz so positiv ist, hinter ihren Beamten versteckt.

Die Regierung trägt mit dieser verunglück­ten Kommunikat­ion viel zum Eindruck des Chaos und zum Unverständ­nis in der Bevölkerun­g bei. Es würde Sebastian Kurz und Rudolf Anschober, die ja sonst so gern reden, kein Stein aus der

Krone fallen, wenn sie zugeben: Das ist uns an Fehlern passiert, die Gründe dafür sind folgende, aber wir tun jetzt das, um die Scharte auszuwetze­n. – In jedem Seminar für Krisenkomm­unikation wird das als kleines Einmaleins zur Wiedergewi­nnung von Vertrauen unterricht­et. Aber unsere Regierung schweigt.

Dass die Opposition­sparteien in diese gähnende Leere (und nichts anderes bedeutet das Wort Chaos) vorstoßen und massive Kritik an den Impfversäu­mnissen üben, ist ihr gutes Recht. Wie glaubhaft das speziell im Falle der FPÖ ist, die seit Monaten gegen Impfen, Masketrage­n und Testen agitiert, steht auf einem anderen Blatt. Und man selbst? Man selbst kann sich – je nach Temperamen­t – nur ärgern oder sich mit einer Dosis Gelassenhe­it impfen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria