Salzburger Nachrichten

Kim Jong Un gibt Fehler zu

Auf dem Parteikong­ress übt Nordkoreas Machthaber harte Selbstkrit­ik. Es fehlt an allen Ecken und Enden in dem von der übrigen Welt isolierten Staat.

- Felix Lill berichtet für die SN aus Fernost

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gab sich bisher gern als starker Mann. Beim Kongress der Staatspart­ei in Pjöngjang zeigt er sich jetzt aber von einer anderen Seite. Dabei vertragen sich seine Zugeständn­isse des Scheiterns kaum mit der nordkorean­ischen Staatsphil­osophie. Wenn Nordkoreas Staatsmedi­en Kim Jong Un zeigen, sieht er immer aus wie ein ziemlich harter Kerl. Und wer ihm zuhört, muss glauben, sein Land sei ein gesegneter Fleck Erde.

Am Dienstag aber kam der Offenbarun­gseid: Zum Auftakt des nur selten stattfinde­nden Kongresses der Kommunisti­schen Partei sprach Kim laut Staatsmedi­en von „Mängeln“und „schweren Lehren“für sein Land. In „fast allen Sektoren“sei Nordkorea „extrem deutlich“hinter den zuvor gesteckten Entwicklun­gszielen zurückgebl­ieben. Etwa 5000 Delegierte aus dem ganzen Land hörten einem Diktator zu, der sich in Selbstkrit­ik übte.

Der Parteikong­ress ist das wichtigste politische Ereignis in Nordkorea und fand zuletzt vor fünf Jahren statt. Hier werden die Pläne für die ökonomisch­e Entwicklun­g beschlosse­n, ebenso die außenpolit­ischen Leitlinien, hauptsächl­ich gegenüber den USA und Südkorea. Zugleich dient der Kongress zur Bewertung des bis dahin Erreichten. Kim Jong Uns Großvater und Staatsgrün­der Kim Il Sung gestand schon beim Parteikong­ress 1993 ein, dass Ziele verfehlt worden waren, er gab damals dem Zerfall der Sowjetunio­n die Schuld.

Der Enkel Kim Jong Un sagte nun, die Gründe seien „sowohl außerhalb als auch innerhalb“des Landes zu finden. So forderte Kim von seinen Parteimitg­liedern: „Wir müssen anfangen, die gesamte Wirtschaft des Landes weiterzuen­twickeln.“Als Beispiele nannte er die Bereiche Metall, Elektrizit­ät, Kohle, Chemie, Maschinen und Minen.

Hinzu kommt, dass Nordkorea mit Beginn des vergangene­n Jahres zum Schutz vor der Pandemie auch seine Nordgrenze­n zu Russland und China dicht abgeriegel­t hat. Von dort sind zuvor noch Warenliefe­rungen gekommen, häufig den UNO-Sanktionen zum Trotz. So dürfte sich die Mangelwirt­schaft in einem der ärmsten Länder der Welt zuletzt verschlimm­ert haben. Schon im Oktober, als Nordkorea sein 75-Jahre-Staatsjubi­läum feierte, sagte Kim Jong Un in einer Rede unter Tränen: „Unser Volk hat Vertrauen auf mich gesetzt, so hoch wie der Himmel und so tief wie die See, aber ich bin dabei gescheiter­t, die Erwartunge­n zu erfüllen.“

Dabei sollten die wegen der Atomtests verhängten UNO-Sanktionen und auch die Coronapand­emie theoretisc­h kein großes Problem für Nordkoreas Politik darstellen. Die Staatsphil­osophie Juche, was auf Deutsch so viel wie Subjekt oder Autarkie bedeutet, erklärt Unabhängig­keit und Selbststän­digkeit zu Stützpfeil­ern des nordkorean­ischen Staates und dessen Anführer als Garanten hierfür. Der Historiker Leonid Petrov von der Australian National University in Canberra bezeichnet das Juche sogar als Staatsreli­gion. Schließlic­h würden andere Glaubensri­chtungen weder geduldet noch erwähnt, die Regenten der Kim-Dynastie dagegen verehrt.

Auffallend widersprüc­hlich wirkt in diesem Zusammenha­ng die Nachricht, dass Nordkorea laut diplomatis­chen Quellen dieser Tage um internatio­nale Unterstütz­ung bei der Beschaffun­g von Coronaimpf­stoffen gebeten hat, obwohl Nordkorea offiziell bis heute keinen einzigen Infektions­fall von Covid19 verzeichne­t.

„Kim selbst scheint verstanden zu haben, welche ernsthafte­n Probleme es in Nordkoreas Gesellscha­ft selbst gibt“, sagte Lim Eul Chul, Professor für Nordkoreas­tudien an der Kyungnam-Universitä­t im südkoreani­schen Changwon, diese Woche gegenüber der konservati­ven südkoreani­schen Zeitung „Joongang Ilbo“. In Kims Äußerungen liest Lim: „Es lässt sich ein Wille beobachten, die Bevölkerun­g zu befrieden und praktische Maßnahmen für sie zu ergreifen.“Welche Maßnahmen das sein werden, könnte dieser Tage auf dem Parteikong­ress entschiede­n werden.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Der starke Mann zeigt Schwäche: Vor dem Parteikong­ress hat Nordkoreas Herrscher Kim Jong Un ein Scheitern des Fünf-Jahres-Plans eingeräumt.
BILD: SN/AFP Der starke Mann zeigt Schwäche: Vor dem Parteikong­ress hat Nordkoreas Herrscher Kim Jong Un ein Scheitern des Fünf-Jahres-Plans eingeräumt.
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