Kim Jong Un gibt Fehler zu
Auf dem Parteikongress übt Nordkoreas Machthaber harte Selbstkritik. Es fehlt an allen Ecken und Enden in dem von der übrigen Welt isolierten Staat.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gab sich bisher gern als starker Mann. Beim Kongress der Staatspartei in Pjöngjang zeigt er sich jetzt aber von einer anderen Seite. Dabei vertragen sich seine Zugeständnisse des Scheiterns kaum mit der nordkoreanischen Staatsphilosophie. Wenn Nordkoreas Staatsmedien Kim Jong Un zeigen, sieht er immer aus wie ein ziemlich harter Kerl. Und wer ihm zuhört, muss glauben, sein Land sei ein gesegneter Fleck Erde.
Am Dienstag aber kam der Offenbarungseid: Zum Auftakt des nur selten stattfindenden Kongresses der Kommunistischen Partei sprach Kim laut Staatsmedien von „Mängeln“und „schweren Lehren“für sein Land. In „fast allen Sektoren“sei Nordkorea „extrem deutlich“hinter den zuvor gesteckten Entwicklungszielen zurückgeblieben. Etwa 5000 Delegierte aus dem ganzen Land hörten einem Diktator zu, der sich in Selbstkritik übte.
Der Parteikongress ist das wichtigste politische Ereignis in Nordkorea und fand zuletzt vor fünf Jahren statt. Hier werden die Pläne für die ökonomische Entwicklung beschlossen, ebenso die außenpolitischen Leitlinien, hauptsächlich gegenüber den USA und Südkorea. Zugleich dient der Kongress zur Bewertung des bis dahin Erreichten. Kim Jong Uns Großvater und Staatsgründer Kim Il Sung gestand schon beim Parteikongress 1993 ein, dass Ziele verfehlt worden waren, er gab damals dem Zerfall der Sowjetunion die Schuld.
Der Enkel Kim Jong Un sagte nun, die Gründe seien „sowohl außerhalb als auch innerhalb“des Landes zu finden. So forderte Kim von seinen Parteimitgliedern: „Wir müssen anfangen, die gesamte Wirtschaft des Landes weiterzuentwickeln.“Als Beispiele nannte er die Bereiche Metall, Elektrizität, Kohle, Chemie, Maschinen und Minen.
Hinzu kommt, dass Nordkorea mit Beginn des vergangenen Jahres zum Schutz vor der Pandemie auch seine Nordgrenzen zu Russland und China dicht abgeriegelt hat. Von dort sind zuvor noch Warenlieferungen gekommen, häufig den UNO-Sanktionen zum Trotz. So dürfte sich die Mangelwirtschaft in einem der ärmsten Länder der Welt zuletzt verschlimmert haben. Schon im Oktober, als Nordkorea sein 75-Jahre-Staatsjubiläum feierte, sagte Kim Jong Un in einer Rede unter Tränen: „Unser Volk hat Vertrauen auf mich gesetzt, so hoch wie der Himmel und so tief wie die See, aber ich bin dabei gescheitert, die Erwartungen zu erfüllen.“
Dabei sollten die wegen der Atomtests verhängten UNO-Sanktionen und auch die Coronapandemie theoretisch kein großes Problem für Nordkoreas Politik darstellen. Die Staatsphilosophie Juche, was auf Deutsch so viel wie Subjekt oder Autarkie bedeutet, erklärt Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu Stützpfeilern des nordkoreanischen Staates und dessen Anführer als Garanten hierfür. Der Historiker Leonid Petrov von der Australian National University in Canberra bezeichnet das Juche sogar als Staatsreligion. Schließlich würden andere Glaubensrichtungen weder geduldet noch erwähnt, die Regenten der Kim-Dynastie dagegen verehrt.
Auffallend widersprüchlich wirkt in diesem Zusammenhang die Nachricht, dass Nordkorea laut diplomatischen Quellen dieser Tage um internationale Unterstützung bei der Beschaffung von Coronaimpfstoffen gebeten hat, obwohl Nordkorea offiziell bis heute keinen einzigen Infektionsfall von Covid19 verzeichnet.
„Kim selbst scheint verstanden zu haben, welche ernsthaften Probleme es in Nordkoreas Gesellschaft selbst gibt“, sagte Lim Eul Chul, Professor für Nordkoreastudien an der Kyungnam-Universität im südkoreanischen Changwon, diese Woche gegenüber der konservativen südkoreanischen Zeitung „Joongang Ilbo“. In Kims Äußerungen liest Lim: „Es lässt sich ein Wille beobachten, die Bevölkerung zu befrieden und praktische Maßnahmen für sie zu ergreifen.“Welche Maßnahmen das sein werden, könnte dieser Tage auf dem Parteikongress entschieden werden.