Zehn Monate statt zehn Jahre: Wie schnell Innovation möglich wäre
Vom Wunder der rasanten Impfstoffentwicklung gegen Corona können Unternehmen sehr viel lernen.
Wie war es möglich, in einer Blitzaktion mit nur zehn Monaten Entwicklungszeit wirksame, sichere Impfstoffe gegen Corona zu entwickeln? Diese Frage wird zu wenig gestellt. Denn die Kluft ist enorm: Normalerweise braucht ein neuer Impfstoff zehn Jahre, also zwölf Mal länger. Es sind vier Faktoren, die das Wunder möglich gemacht haben und von denen kein einzelner verzichtbar war: erstens der unbedingte Wille und Druck, eine neue Lösung zu schaffen. Zweitens der Geldfluss. Drittens die vorbereiteten klugen Köpfe. Und viertens eine noch nie zuvor dagewesene Zusammenarbeit.
Zum ersten Faktor: Selbst in Unternehmen, deren Märkte seit Langem schrumpfen und daher in ihrer Existenz bedroht sind, wird Innovation erstaunlich lauwarm und nebenher betrieben. Oft geht nichts weiter, denn im Zweifel siegt immer das Tagesgeschäft. Beim Corona-Impfstoff wurden die Prioritäten völlig neu gesetzt, weniger wichtige Arbeiten in der Wissenschaft,
bei Unternehmen, Investoren und in der Politik liegengelassen und mit großer Willensanstrengung das große Ding in Angriff genommen.
Zweitens: Es gab kein Verheddern in Kleinstaktivitäten. Wie soll aus mickrigen Budgets für ein paar wenige Zukunftsbeauftragte im Zweitberuf das nächste große Ding herauskommen? In den Corona-Impfstoff floss genug Geld, um Wartezeiten von vornherein zu vermeiden. Während der meisten der üblichen zehn Jahre in der Impfstoffentwicklung passiert nämlich nichts: Stillstand, weil das Geld ausgegangen ist. Es fehlt an Produktionsstätten und an den Tausenden an Freiwilligen für die nötigen Tests. Dieses Mal war alles da, ebenso vorbereitete Geister. Wissen ist der dritte Faktor, wobei hier auch Glück eine Rolle spielt. Coronaviren gibt es seit 18 Jahren, man kennt ihre Biologie und hatte Impfkonzepte in der Tasche, die man nur anpassen musste. Für Unternehmen lässt sich daraus ableiten, dass sie sich nicht erst mit der Zukunft beschäftigen dürfen, wenn sie unvermeidlich ist, sondern lang bevor sie einen Ertrag abwirft.
Die Überwindung des Ellbogendenkens, also das bereitwillige Teilen von Erkenntnissen, ohne auf den eigenen Vorteil zu schielen, war im Wettlauf zum Impfstoff das vierte Erfolgsgeheimnis. Es klingt wie ein Widerspruch, doch ist längst keiner mehr: Jeder Einzelne für sich genommen ist zu langsam und zu beschränkt, um große Schritte zu tun. Gerade die, die im Wettbewerb stehen, brauchen Allianzen wie einen Bissen Brot.
Das sind die Lehren aus dem Coronawunder, die sich die Wirtschaft abschauen sollte.