Hinter ihm die Sintflut
Spaniens Altkönig Juan Carlos ist quasi im Exil. Mit den Folgen seiner Machenschaften muss sich sein Sohn und Nachfolger Felipe plagen. Die Regierung drängt ihn im neuen Jahr zu Reformen.
„Das Krongesetz soll regeln, was der König tun darf und was nicht.“
Jaume Asens, Podemos
Spaniens König Felipe VI. hat vermutlich nicht nur an die Coronapandemie gedacht, als er sagte: „2020 war ein sehr hartes und kompliziertes Jahr.“Spaniens Medien sprechen von einem „annus horribilis“, einem schrecklichen Jahr, für den 52-jährigen Felipe und Königin Letizia (48). Ein königliches Horrorjahr, in dem die Enthüllungen über die Machenschaften des 83 Jahre alten Juan Carlos, des Vaters Felipes, die Krone in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise stürzten. So tief, dass die spanische Regierung nun 2021 auf tief greifende Reformen im Palast drängt, um der Monarchie neue Glaubwürdigkeit einzuimpfen.
Ein kleiner Rückblick: Im Frühjahr 2020 kam ans Tageslicht, dass Juan Carlos während seiner Zeit als königliches Staatsoberhaupt (er regierte 1975 bis 2014) prall gefüllte Millionenkonten mit Schwarzgeldern in ausländischen Finanzoasen unterhielt. Gelder, die der König im Ruhestand möglicherweise als verdeckte Gegenleistung für die Vermittlung von Geschäften kassierte. Zum Beispiel für die Einfädelung eines milliardenschweren Bahnprojekts zwischen Saudi-Arabien und der spanischen Industrie, für die er 2008 angeblich 100 Millionen Dollar kassiert haben soll.
Enthüllungen mit dramatischen Folgen: Spaniens Justiz startete Ermittlungen
wegen des Verdachts der Korruption, der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche. Und Felipe sah sich gezwungen, mit seinem Vater zu brechen. Erst verzichtete der Thronfolger angesichts der fragwürdigen Herkunft des väterlichen Vermögens auf alle finanziellen Erbansprüche. Dann warf er seinen Vater sogar aus dem Königspalast und drängte ihn, das Land zu verlassen.
Seit August 2020 befindet sich Juan Carlos in einer Art Verbannung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit deren Herrscherfamilie er befreundet ist. Sein Bitten, wenigstens über Weihnachten und den Jahreswechsel nach Spanien zurückkehren zu dürfen, war vergeblich. „Die Tür des Königspalastes bleibt geschlossen“, schrieb die monarchische Zeitung „ABC“. Felipe habe entschieden, dass die Zeit für eine Rückkehr des alten Königs noch nicht reif sei.
Unterdessen kämpft Felipe in seinem Land darum, das königliche Ansehen wieder etwas aufzupolieren. In seiner jüngsten Fernsehansprache erinnerte er daran, dass die „moralischen und ethischen
Grundsätze“für alle Bürger und somit auch für die Königsfamilie gelten. Dies wurde als Ohrfeige für Juan Carlos interpretiert. Und als Signal, dass Felipe zu weiteren drastischen Schritten bereit ist, um den Ruf der Monarchie zu retten.
Zugleich wurde bekannt, dass Spaniens Mitte-links-Regierung das Königshaus einer stärkeren Kontrolle unterwerfen will. Der Juniorpartner des sozialistischen Premiers Pedro Sánchez, die Linkspartei Podemos, will demnächst einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament einbringen. Das geplante Krongesetz soll regeln, „was der König tun darf und was nicht“, kündigte Podemos-Fraktionschef Jaume Asens an.
Auch die in der Regierung tonangebenden Sozialisten signalisierten, dass sie zu Reformen bereit seien. Ministerpräsident Sánchez bestätigte, dass mit Felipe über „mehr Transparenz und Vorbildlichkeit“im Königshaus verhandelt werde.
Dass es Handlungsbedarf gibt, steht außer Frage. „Es kann nicht sein, dass wir durch kriminalpolizeiliche Ermittlungen von Konten erfahren, die Juan Carlos im Ausland hat“, sagte Podemos-Sprecher Asens. Es müsse verboten werden, dass der König, der ein öffentliches Gehalt in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt beziehe, Geschäfte als Vermittler machen könne. Und: „Der Staatschef muss ein Beispiel
geben und seine Steuern in
Spanien zahlen.“
In der Tat ist es derzeit so, dass Spaniens König der einzige Amtsträger des Landes ist, der sein Vermögen nicht offenlegen muss. Über das wahre Vermögen des Altkönigs wie auch seines Nachfolgers Felipe kann daher nur spekuliert werden. Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“schätzte, dass allein Juan Carlos Reichtümer in Geldanlagen und Immobilienbesitz im Wert von annähernd zwei Milliarden Dollar hat.
Außerdem genießt der König während der Zeit als Staatsoberhaupt völlig Straffreiheit, die in der Verfassung verankert ist. Mit der Folge, dass zum Beispiel Juan Carlos für jene dunklen Geschäfte, die er bis zu seiner Abdankung machte, nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Daher konzentrieren sich die Ermittlungen gegen ihn auf die Zeit nach seinem Abtritt, es geht vor allem um Vorwürfe der Geldwäsche und des Steuerbetrugs.
Offenbar existiert auch für den Zeitraum nach 2014 noch reichhaltiges Belastungsmaterial, das Juan Carlos auf die Anklagebank bringen könnte. Vor allem deswegen versuchte der alte König im Dezember, mit einer freiwilligen Steuernachzahlung von knapp 700.000 Euro die Wogen zu glätten. Man wird sehen, ob dies die Strafverfolger und auch Spaniens empörte Öffentlichkeit besänftigen wird.