Ölpreis spiegelt Hoffnung auf Krisenende
Rohöl ist so teuer wie seit Februar 2020 nicht. Die Märkte erwarten den Aufschwung, Experten sind noch skeptisch und die OMV ist vorsichtig.
WIEN. Der Ölpreis hat am Donnerstag seinen Höhenflug fortgesetzt. Ein Barrel (159 Liter) der für Europa wichtigen Nordseesorte Brent kostete fast 59 US-Dollar, so viel wie seit Februar 2020 nicht mehr. Anleger und Spekulanten glauben offenbar an ein nahes Ende der Coronapandemie, die die Nachfrage nach dem wichtigsten Energieträger und somit dessen Preis voriges Frühjahr absacken ließ. Angetrieben werde die Hoffnung durch die Fortschritte bei den Coronaimpfungen insbesondere in den USA, sagen Marktbeobachter. Zudem wolle SaudiArabien, der größte Öllieferant der Welt, ebenso wie Russland den coronabedingt ausgebauten globalen Überschuss an Rohöl rasch beseitigen, also die Förderung drosseln.
Der Chef des teilstaatlichen Ölund Gasriesen OMV, Rainer Seele, erwartet im ersten Halbjahr weiter „Herausforderungen“. Die fehlende Produktion und zaghafte Verteilung der Impfstoffe würden nach der anfänglichen Euphorie das Wirtschaftswachstum dämpfen, sagte er am Donnerstag bei der Präsentation der Bilanz für das Krisenjahr 2020. Im zweiten Halbjahr gehe er davon aus, dass die Covid-Impfprobleme erledigt seien und ein starker Aufschwung folge.
Im Jahresdurchschnitt 2021 rechnet Seele mit einem Ölpreis zwischen 50 und 55 Dollar – um zehn Dollar weniger als die bisherige Prognose. Und das obwohl die wichtigsten Förderländer die Produktion
zurückgefahren haben und höhere Nachfrage prognostiziert wird.
Auch die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrem JännerBericht betont, dass die Ölnachfrage 2021 wegen der neuen oder verlängerten Lockdowns doch nicht so stark steigen werde wie ursprünglich erwartet. Die Impfkampagne werde erst in der zweiten Jahreshälfte auf die Nachfrage nach Mobilität und Transport zu wirken beginnen.
Rainer Seele, OMV-Chef
Im Vorjahr hat die Coronakrise bei der OMV – so wie in der gesamten Branche – tiefe Spuren hinterlassen: Der Umsatz ging um 29 Prozent auf 16,55 Mrd. Euro zurück, das um Lagerhaltungseffekte bereinigte operative Ergebnis vor Sondereffekten – eine wichtige Kennzahl – halbierte sich auf knapp 1,7 Mrd. Euro. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 1,5 Mrd. Euro, um fast ein Drittel weniger als 2019. Die Dividende wird dennoch von 1,75 auf 1,85 Euro je Aktie angehoben.
Dass der OMV-Nettogewinn nicht noch geringer ausgefallen ist, ist der Aufstockung und Aufwertung der Beteiligung bei der Kunststofftochter Borealis (von 36 auf die Mehrheit von 75 Prozent) geschuldet. Der teilstaatliche Konzern
„Die Welt hat sich gedreht.“
sucht sein Heil zunehmend im (Petro-)Chemiegeschäft. „Die strategischen Weichen für die neue OMV sind gestellt“, sagt Seele, sie werde „größer, stabiler und nachhaltiger “. Der Konzern verabschiedet sich von seinen bisherigen Förderund Raffineriezielen. Diese Kennzahlen hätten zwar weiter Bedeutung, bekämen aber „einen neuen Kontext“, sagt der OMV-Chef.
Künftig soll mehr Öl in hochwertige Kunststoffe verarbeitet und erst am Ende des Produktzyklus verbrannt werden. Die OMV werde „ein führendes Unternehmen der
Kreislaufwirtschaft, aber ihre Wurzeln nicht verlieren“, sagt Seele: „Sie werden die OMV weiter an ihren Bohrtürmen, Pferdekopfpumpen, Raffinerien und Tankstellen erkennen.“Zugleich würden aber gerade für die Energiewende hochwertige Kunststoffe benötigt, etwa für Solaranlagen und Windräder, aber auch für Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Smartphones, wetterfeste Kleidung, die Schutzmaske vor dem Gesicht oder den Becher für den Coffee to go. Chemische Produkte würden auch noch 2050 gebraucht, betont Seele. „Die
Welt verändert sich, die OMV wird sie mitgestalten.“
Um die gestiegene Verschuldung (der Kaufpreis für die Borealis-Anteile betrug 3,8 Mrd. Euro) zu senken, sind weitere Verkäufe geplant. Nach dem Ausstieg bei der Pipelinetochter Gas Connect Austria, dem Tankstellennetz in Deutschland und der Ölproduktion in Kasachstan will sich der Konzern bis Jahresende von der Tankstellenkette in Slowenien und dem Düngemittelgeschäft der Borealis trennen. Im Lauf des Jahres soll ein drittes Devestitionspaket geschnürt werden.