Türme fliegen wie Ufos
Wolfgang Vollmer zerlegt die Geschichte der Fotografie – das ist g’scheit amüsant.
SALZBURG-STADT. Das ist doch der Adolf Hitler, der da auf einem Bild seines Leibfotografen Heinrich Hoffmann so herrisch von einer Wand im Fotohof schaut, oder? Und ist das nicht Jesu Antlitz vom Turiner Grabtuch? Und ein Stückerl weiter schaut John Lennon durch seine Nickelbrille in der bunten Warhol-Variante? Nun, aufs schnelle Hinschauen stimmt das.
Da hängen 24 Porträtbilder, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Doch irgendetwas ist da faul und falsch. Es ist das Gesicht. Das ist nämlich auf allen Bildern dasselbe. Es ist das Gesicht des Fotografen Wolfgang Vollmer. Er hat sich in all diese berühmten Porträts hineingebastelt: „überlebt“nennt Vollmer diese Serie. Auf einem Beipackzettel steht über jede der 24 Personen der Satz: „Ich habe (…) am (…) überlebt“. Das Makabre, das da mitschwingt, löst sich luftig leicht in Ironie auf. Denn es geht um keine Heiligsprechung oder um Bewunderung – wie auch bei einem wie Hitler? Also steht da, dass alle diese Personen Vollmers Lebensweg begleitet hätten – „gewollt oder ungewollt, freiwillig oder unfreiwillig“. Diese Menschen waren quasi einfach da.
Was also mit ihnen anfangen? Vollmer erweist sich als raffinierter Spieler, der jedem noch so unbedarften Betrachter seiner Arbeit einen ersten, oberflächlichen Blick des Amüsements erlaubt. Wer es dabei belässt, kann sich ebenso gut unterhalten (oder hinters Licht geführt) fühlen wie jene, die Vollmers Ideen genau auf die Spur kommen wollen. Dazu geht’s über einen doppelten Boden. Mehr als in „überlebt“wird das bei Vollmers Umgang mit Ikonen der Foto-Geschichte deutlich. Denn auch diese Ikonen sind für ihn einfach da. Warum sie dann nicht abklopfen auf ihre Bedeutung oder etwas Neues aus ihnen machen?
So macht Vollmer das etwa mit der berühmten WasserturmSerie von Bernd und Hilla Becher. Da macht er auf seinen Originalen aus Wassertürmen unbekannte Flugobjekte. Und behauptet gleich noch frech, dass diese Bilder von einem „Committee of Unknown Planes“stammen.
Es hängen im Fotohof also „Meisterwerke der fotografischen Kunst“, von denen viele in der Geschichte der Fotografie eine wichtige Rolle spielen. Aber es sind nicht die Originale, sondern Nachstellungen.
Vollmer baut dafür Sujets nach, begibt sich an die gleichen Orte, wo die Fotos entstanden sind. Er wählt das gleiche Format, die gleiche Beleuchtung, bisweilen sogar die gleichen Kameras. Das ist eine Hommage ebenso wie bitterböser Kommentar, wenn Vollmer etwa Dogmen oder Manifeste mancher FotografieSchule auf den Kopf stellt. Um diesen Witz zu verstehen, muss man keineswegs FotografieExperte sein. Da reicht es auch, die – frei erfundenen Bildtexte zur Geschichte der Werke – zu lesen, mit denen Volmer seine Bilder begleitet. Und wer tatsächlich zwischen Original und Persiflage wandern will, kann sich Vollmers Vorlagen in den Fotobänden und Katalogen aus der Fotohof-Bibliothek suchen und dann amüsiert darüber nachdenken: Was ist ein Original wert?
Ausstellung: Wolfgang Vollmer „Projekt 2010 bis 2020“, Fotohof, Salzburg-Stadt, bis 20. April. Wenn es die Maßnahmen wegen der Pandemie erlauben, wird Vollmer am 20. März eine Führung durch die Ausstellung machen.