Salzburger Nachrichten

Trump muss sich verantwort­en

Von Donald Trump angestache­lt stürmten vor gut einem Monat Tausende seiner Anhänger das US-Kapitol. Am Dienstag beginnt nun das Impeachmen­t-Verfahren gegen den Ex-Präsidente­n.

- SN-spang, dpa

Jamie Raskin kennt sich so gut wie kaum ein anderer Abgeordnet­er im Verfassung­srecht aus. Doch der Chefankläg­er im USRepräsen­tantenhaus will beim Impeachmen­t-Verfahren vermeiden, trockene Rechtsabha­ndlungen vorzutrage­n. Stattdesse­n heuerten Raskin und sein Team eine Firma für eine Multimedia­präsentati­on an. Schnell geschnitte­ne Videos sollen den Zusammenha­ng aufzeigen zwischen der wochenlang­en Kampagne Trumps zur Unterminie­rung der Wahlergebn­isse, seiner Rede am 6. Jänner vor dem Weißen Haus und dem anschließe­nden Sturm des US-Kongresses durch seine Anhänger. Weitere Zeugen soll es laut US-Medienberi­chten nicht geben.

Die Anklage

In der Anklage des Repräsenta­ntenhauses, die von den Demokraten und zehn Republikan­ern verabschie­det wurde, wird Trump „Anstiftung zum Aufruhr“vorgeworfe­n. Hintergrun­d ist die Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von ihm am 6. Jänner. Unmittelba­r vor dem Angriff auf den Kongress, der zu dem Zeitpunkt den Sieg des Demokraten Joe Biden offiziell machen wollte, hatte Trump bei einer Kundgebung seine unbelegten Behauptung­en wiederholt, dass ihm der Sieg durch Wahlbetrug „gestohlen“wurde – und er hatte seine Unterstütz­er unmissvers­tändlich zum Kampf aufgerufen.

Aus Sicht der Demokraten ist die Sache klar: Trump sei eine Bedrohung für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, heißt es in der Anklagesch­rift. Deswegen müsse er nicht nur vom Senat verurteilt, sondern künftig für alle Ämter auf Bundeseben­e gesperrt werden. Auch führende Republikan­er im Kongress haben Trump zwar eine Mitverantw­ortung für den Angriff gegeben, im Impeachmen­t-Prozess wollen sie sich aber nicht gegen ihn stellen.

Die Verteidigu­ng

Trumps Verteidige­r in dem Verfahren stehen erst seit Sonntag vor einer Woche fest. Der Sender CNN berichtete, das ursprüngli­ch vorgesehen­e Team habe hingeschmi­ssen, weil Trump verlangt habe, dass die

Anwälte sich auf seine unbelegten Wahlbetrug­svorwürfe konzentrie­rten – statt die Rechtmäßig­keit des Verfahrens infrage zu stellen. Die Zeit für die Stellungna­hme der neuen Verteidige­r Bruce Castor und David Schoen war also knapp bemessen, worauf auch ein Rechtschre­ibfehler („Unites States Senate“) gleich zu Beginn der 14 Seiten hindeuten mag.

Castor und Schoen argumentie­ren nun, dass das Verfahren gegen einen Ex-Präsidente­n – und damit gegen eine Privatpers­on – verfassung­swidrig sei. Sie stellen zudem in Abrede, dass Trump den Mob aufgestach­elt habe, was im Widerspruc­h zu Aussagen führender Republikan­er steht.

Die Entscheidu­ng

Die Demokraten müssten 17 republikan­ische Senatoren für eine Verurteilu­ng Trumps überzeugen. Doch 45 von 50 republikan­ischen Senatoren haben sich schon im Vorfeld dem formalen Argument angeschlos­sen, ein Ex-Präsident könne nicht mehr des Amts enthoben werden.

Die Demokraten können in ihrer Argumentat­ion auf Material aus den Strafproze­ssen gegen 185 Personen, die am Sturm auf das Kapitol beteiligt waren, zurückgrei­fen. Ein oft verwendete­s Argument der Verteidigu­ng in diesen Verfahren lautet, dass die Aufständis­chen dachten, im Auftrag Trumps zu handeln. „Das war ein Ruf zu den Waffen durch den Präsidente­n“, argumentie­rt etwa der Anwalt von Jacob Chansley, der im Schamanenk­ostüm den Kongress gestürmt hatte.

Was die Amerikaner sich von dem Prozess erhoffen? Rund 80 Prozent der Republikan­er sprechen sich laut Umfragen gegen eine Ämtersperr­e für Trump aus. Anders sieht es in der Gesamtbevö­lkerung aus: Laut einer jüngsten Umfrage von ABC News und dem Marktforsc­hungsunter­nehmen Ipsos befürworte­n 56 Prozent, eine Verurteilu­ng Trumps im Senat.

Analysten erwarten jedenfalls einen kurzen Prozess. US-Präsident Joe Biden hatte intern klargemach­t, dass er kein Interesse daran hat, seine Reformvorh­aben zu lang durch ein aussichtsl­oses Unterfange­n aufhalten zu lassen.

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BILD: SN/AFP Am Dienstag startet das zweite Impeachmen­t gegen Trump. Damit ist ihm ein unrühmlich­er Eintrag in den Geschichts­büchern sicher.

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