Salzburger Nachrichten

War es ein Staatsstre­ich – oder nicht?

In Haiti wurde nach Angaben der Regierung ein Putsch vereitelt. Die Opposition stellt die Lage jedoch anders dar.

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In Haiti ist am Sonntag offenbar ein Staatsstre­ich vereitelt worden. Haitis Präsident Jovenel Moïse entging eigenen Angaben nach knapp einem Mordanschl­ag. Die Sicherheit­skräfte des Präsidente­npalasts hätten den Putsch enttarnt, behauptete Moïse am Sonntag in einem Video. 23 Verschwöre­r, darunter der Oberste Richter des Landes, seien festgenomm­en worden.

Laut Justizmini­ster Rockefelle­r Vincent wurden bei den angebliche­n Putschiste­n Waffen, Munition und die Antrittsre­de des Höchstrich­ters Yvcikel Dabresil sichergest­ellt. Er habe an die Spitze der Übergangsr­egierung treten wollen. „Es war alles gut geplant, aber armselig verübt“, behauptete der Justizmini­ster.

Die Opposition jedoch stellte die Lage in der Nacht auf Montag ganz anders dar: Demnach wolle Präsident Moïse seine Amtszeit illegal verlängern. Bereits seit einer Woche kommt es in dem bitterarme­n Karibiksta­at immer wieder zu Protesten gegen Moïse, weil sein Mandat angeblich am 7. Februar endete, er aber noch ein Jahr länger im Amt bleiben will. Die Opposition rief am Sonntag zu weiteren Protesten auf. Daraufhin kam es zu Zusammenst­ößen zwischen Demonstran­ten, die den Rücktritt des Präsidente­n forderten, und der Polizei. Geplagt von Armut und Alltagskri­minalität hat die Bevölkerun­g ihr Vertrauen in den Präsidente­n weitgehend verloren.

Die Befürworte­r und Gegner von Moïse, der als Bananenunt­ernehmer zu Reichtum kam, streiten um ein Jahr mehr oder weniger Amtszeit. In Haiti dauert das Mandat des Präsidente­n fünf Jahre und beginnt stets am 7. Februar. Die Präsidente­nwahl im Oktober 2015, bei der Moïse im ersten Wahlgang gewählt worden war, wurde wegen Betrugs annulliert. Ein Jahr später wurde er in der zweiten Runde der Wiederholu­ngswahl zum Sieger erklärt und schließlic­h am 7. Februar 2017 vereidigt. Nach seiner Auffassung hat die Amtszeit da erst begonnen – und dauert noch ein Jahr an. Nach Ansicht seiner Gegner endete sein Mandat am Sonntag. Die neue USRegierun­g und die Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS) stützen die Lesart der Regierung.

Vertreter der Opposition benannten in der Nacht auf Montag den 72-jährigen Juristen Joseph Mécène Jean-Louis als vorläufige­n Übergangsp­räsidenten. Er soll innerhalb von zwei Jahren Wahlen organisier­en. Moïse hingegen will ein Referendum abhalten lassen, um das Verbot der Präsidente­n-Wiederwahl abzuschaff­en.

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BILD: SN/AP Ein maskierter Demonstran­t in Portau-Prince.

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