Der „Islamische Staat“erstarkt wieder
Die Nächte gehören den Terroristen. Ihre Opfer sind Schiiten.
DAMASKUS, LIMASSOL. Nach Sonnenuntergang, wenn sich Armee und Milizen in ihre Kasernen zurückgezogen haben, kommen die Terroristen. „Niemand stellt sich ihnen in den Weg“, klagt Samira, die ihren richtigen Namen nicht nennen will. Die 32-jährige Syrerin lebt in Mazloum. Das Dorf in der Nähe der Provinzhauptstadt Deir ez-Zor gilt seit dem Herbst 2018, als der IS seine letzten Hochburgen im Osten Syriens verlor, als „befreit“. Doch die Nächte gehören dem „Islamischen Staat“. Es kommt zu Anschlägen, Morden, Entführungen. Besonders gefährdet seien Syrer mit Verbindungen zu proiranischen oder kurdischen Milizen. Sie werden laut lokalen NGOs oft ohne Vorwarnung getötet.
Ende Dezember starben bei einem Überfall auf einen Konvoi der Assad-Armee mehr als 40 Soldaten. Die Bilder der Leichen veröffentlichten die Dschihadisten stolz im Internet und kündigten weitere „Widerstandsoperationen“an. In diese Kategorie fallen auch die Verbrechen des IS im benachbarten Irak. Am 21. Jänner rissen zwei Selbstmordattentäter auf dem Kleiderbasar in Bagdad 32 Zivilisten in den Tod. Mit dem Angriff habe man Schiiten treffen wollen, hieß es in dem Bekennerschreiben der sunnitischen Dschihadisten, die noch immer von dem jahrhundertealten Konflikt zwischen den beiden größten Glaubensrichtungen des Islam profitieren. Unterstützung findet der IS nach wie vor vor allem bei
Trumps Rückzug öffnete Türen
den Angehörigen der sunnitischen Minderheit. Der Einfluss der vom Iran kontrollierten Schiitenmilizen im Irak ist in den vergangenen Jahren ständig gewachsen. Ihr Verhalten wird oft als Schreckensherrschaft empfunden.
Zur langsamen Auferstehung des IS trug auch die Regierung von ExUS-Präsident Donald Trump bei, die nach dem vor zwei Jahren prahlerisch gefeierten „hundertprozentigen Sieg über den IS“die Zahl der amerikanischen Anti-Terror-Einheiten im Nordirak und Syrien von 5200 auf 2300 Mann reduzierte.
Das so entstandene Sicherheitsvakuum hilft den Dschihadisten beim Wiederaufbau eigener Strukturen. Mindestens 10.000 IS-Kämpfer sind nach Einschätzung von Wladimir Woronkow, dem höchsten Terrorbekämpfer der UNO, im Irak und Syrien aktiv. Ihre bei Überfällen auf die irakische Zentralbank in Mosul und andere Einrichtungen erbeuteten Bargeldreserven schätzt das US-Finanzministerium auf „bis zu 100 Millionen Dollar“.