Kommt die Milch von der Kuh oder vom Korn?
Es tobt ein Kampf ums Milchregal. Neue EU-Regeln könnten Produzenten von Hafer- und Reisdrinks strengere Regeln auferlegen. Vegane Alternativen liegen jedenfalls im Trend. Selbst Molkereien füllen diese nun ab.
Was in Europa als Milch verkauft wird, muss aus einem Euter gekommen sein: Der Europäische Gerichtshof entschied 2017, dass vegane Produkte nicht die Namen der Pendants tierischen Ursprungs haben dürfen. Auch wenn sich das im Sprachgebrauch nicht durchgesetzt hat: Statt Sojamilch muss nun Drink oder Ähnliches auf der Verpackung stehen. Gleiches gilt für Rahm, Butter, Käse und Joghurt. Ausnahmen gibt es, etwa für Kokosmilch.
Diese Regelung könnte nun aber verschärft werden, befürchten Hersteller von Milchalternativen und NGOs. Auslöser ist ein EU-Änderungsantrag, der im Herbst eine Mehrheit im Europäischen Parlament fand. Ab Anfang März wird nun im Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament diskutiert. Der Ausgang ist offen.
Am Dienstag schickten 21 NGOs – darunter Greenpeace, Foodwatch, WWF und die Vegane Gesellschaft Österreich – einen Protestbrief an die portugiesische Ratspräsidentschaft. Felix Hnat von der Veganen Gesellschaft Österreich spricht von einem Hafermilchverbot durch die Hintertür. Ein Glas Hafermilch auf die Packung zu drucken sei dann ebenso verboten, wie
Vergleiche mit Milch zu ziehen. „Es ist jetzt schon nicht möglich, Sojamilch aufs Packerl zu schreiben, obwohl alle Sojamilch sagen und denken“, sagt Hnat. Produkthinweise wie „Buttergeschmack, „zerläuft wie Käse“oder „milchige Konsistenz“könnten künftig ebenso verboten werden wie der Hinweis „ohne Milch“oder dass pflanzliche Drinks weniger CO2 verursachen. „Das ist auch deshalb absurd, weil sich die EU ja in der ,Farm to Fork‘-Strategie dafür ausspricht, pflanzliche Alternativen zu fördern“, sagt Hnat.
Die Milchindustrie sieht das anders. Johann Költringer, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, sieht die Befürchtungen unbegründet. „Das sind überzogene Interpretationen. Dass der Haferdrink nicht mehr in ein Tetrapak abgefüllt werden darf, ist Blödsinn. Sie sollen bloß nicht so tun, als ob es Milch wäre.“Mit dem Änderungsantrag werde seiner Ansicht nach nur besser festgeschrieben, was seit dem EuGH-Urteil
Stand der Dinge sei.
„Die Hersteller veganer Alternativen wollen das gute Image der Milch für ihr
Produkt nutzen. Das ist Konsumententäuschung.“Er nennt die Butter als Beispiel: Hier lägen pflanzliche Produkte in gleicher Größe und Verpackung zwischen echter Butter. „Warum muss das dazwischenliegen? Da will sich doch wer hineinschwindeln.“
Gekämpft wird mit harten Bandagen – schließlich geht es um viel Geld. Laut dem Marktforschungsinstitut GfK war der Markt der Molkereiprodukte 2020 fast zwei Mrd. Euro schwer. Der Konsum der österreichischen Haushalte stieg – beeinflusst auch durch die Krise – um elf Prozent. 75
Liter Milch werden laut Statistik Austria pro Kopf im Jahr getrunken. Vegane Alternativen sind zwar eine Nische – aber diese wächst kräftig. Längst greifen nicht mehr nur Allergiker zu. Laut
GfK legten Umsatz und Menge von pflanzlichen Molkereiprodukt-Alternativen in Österreich im Vorjahr um 25 Prozent zu. Der Umsatz lag 2020 bereits bei über 50 Mill. Euro. Knapp 38 Prozent der österreichischen Haushalte kauften die veganen Alternativen. 2010 war es ein Viertel. Standen vor zehn Jahren vor allem sojabasierte Produkte in den Regalen, dominieren nun Produkte auf Getreide-, Nuss- und Reisbasis. Sojabasierte Alternativen haben sogar Reichweite verloren.
Ein Hafertrunk steht indes mit dem Wort Milch bedruckt legal im Regal: Es ist ein Produkt der Marke Schärdinger und besteht zur Hälfte aus Milch, zur Hälfte aus Haferdrink. Warum mischt man? „Weil es ein tolles Produkt ist, das das Gute von beiden kombiniert“, sagt Geschäftsführer Josef Braunshofer. Der Konsument solle wählen können, deshalb biete man die gesamte Palette an: Milchprodukte, pflanzliche Drinks aus Hafer oder Dinkel und eben die Mischung aus beiden. Könnte sich da ein Konsument nicht auch vertun? „Nein. Wir schreiben groß ,Hafer & Milch‘ auf die Verpackung. Jeder mündige Konsument hat kein Problem damit.“Den EU-Änderungsantrag sieht er indes als unnötig. Die bestehende Regelung sei ausreichend. Gleichzeitig dürfe es aber keine Aufweichungen geben.
Selbst Pflanzendrinks abzufüllen ist bei der SalzburgMilch indes kein Thema. „Wir machen sicher nichts in diesem Bereich. Unsere Kernkompetenz ist Milch und dabei bleiben wir“, sagt Geschäftsführer Andreas Gasteiger.
„Das ist ein Verbot für Hafermilch durch die Hintertür.“