Pompejis Defizit und Napoleons Hochzeitskutsche
Warum das Dienstfahrzeug der Wiener Erzbischöfe zeitweise voll mit Nackten war.
Nichts ist interessanter als die Zeitung von gestern. So stand zum Beispiel auf der gestrigen Chronikseite der SN zu lesen, dass Archäologen in Pompeji einen antiken Triumphwagen gefunden haben. Er wurde vermutlich für Hochzeiten verwendet und war daher mit pikanten Verzierungen versehen. Diese sind aus Zinn und Bronze gefertigt und zeigen nackige Frauen und Männer. Das ist interessant, und zwar nicht wegen der nackigen Frauen und Männer, sondern weil in der Wagenburg im Wiener Schloss Schönbrunn ein ganz ähnliches Exponat ausgestellt ist.
Der Wiener Wagen ist beiläufig 1700 Jahre jünger als der pompejanische. Man weiß sogar das genaue Baujahr: 1810. Damals heiratete der französische Kaiser Napoleon die österreichische Kaisertochter Maria-Louise, und zwar aus dem einzigen Grund, damit diese ihm einen legitimen Nachfolger gebäre. Um das Hochzeitspaar beständig an diesen Ehegrund zu erinnern, wurde eine goldene Hochzeitskutsche angefertigt, die auf beiden Seiten mit nackten Engerln, Faunen und Nymphen geschmückt war. Also mit allem, was man damals der Sinneslust für zuträglich hielt.
Die Sache funktionierte, der prompt gelieferte Ehegrund wurde ebenfalls Napoleon getauft und kam später mit seiner Mutter nach Wien. Ebenso die Hochzeitskutsche. Und jetzt wird es interessant: Offenbar aus Sparsamkeitsgründen wurde diese napoleonische Hochzeitskutsche fortan von den Wiener Fürsterzbischöfen als Dienstfahrzeug verwendet.
Die einzige Änderung, die zu diesem Zweck vorgenommen wurde, war die Umfärbung der Kutsche von Gold in dezentes Schwarz. Alles andere blieb jedoch unverändert. Was dazu führte, dass die frommen Wiener Erzbischöfe ihre Dienstfahrten fortan mit einer Kutsche unternahmen, auf der sich nackte Engerl, Faune und Nymphen tummelten. Eine lustige Vorstellung, nicht wahr? Aber es geht halt nichts über echten Sparwillen.
Das wusste man übrigens schon in Pompeji, in dem auch zahlreiche antike Wahlslogans entdeckt wurden. Offenbar war das Untergangsjahr 79 n. Chr. auch ein Wahljahr, in dem in Pompeji die Duumvirn (vermutlich eine Art Bürgermeister) neu gewählt wurden. An den Hauswänden stand daher jede Menge Wahlwerbung wie: „Den Holconius Priscus erbitten als Duumvirn sämtliche Tuchwalker.“Priscus dürfte eine Art Wirtschaftskämmerer gewesen sein. Eine andere Wahlwerbung lautete: „Den Bruttius Balbus als Duumvir schlägt Genialis vor. Der wird die Stadtkasse in Ordnung bringen!“Offenbar hatte Pompeji bis dahin zu sehr dem Keynesianismus gefrönt, und Balbus wäre ein Vertreter des Nulldefizits gewesen. Aber leider: Dann kam der Untergang.