Im Bett mit dem Pharao, im Bad mit der Venus
In Venedig vertritt Jakob Lena Knebl 2022 Österreich, in Genf eröffnet sie aktuell neue Blickwinkel auf die Kunstgeschichte.
SALZBURG, GENF. In der Kunstgeschichte muss sie als ewiges Aktmodell herhalten: Von unzähligen Malern und Bildhauern ist Venus als Göttin der Schönheit und Liebe verewigt worden. Dabei hat sich über die Jahrhunderte vor allem die Darstellung der „Venus im Bade“als begehrtes Motiv erwiesen. Aber welches Ambiente wäre für eine Venus im Jahr 2021 zeitgemäß?
Jakob Lena Knebl hat eine Duschkabine, wie man sie im Baumarkt finden kann, ins Genfer Museum für Kunst und Geschichte mitgebracht. Eine große, weiße Gipsfigur, die der Bildhauer James Pradier im 19. Jahrhundert „Venus im Bad“taufte, hat Knebl in die Kabine und damit in einen erfrischenden Kontext gestellt.
Bei ihrer Erkundung des Museums sei es ihr auch um einen humorvollen Blick auf die Kunstgeschichte gegangen, um die Möglichkeit der Umkehrung von Sehgewohnheiten und um die Frage, was uns vertraut und was uns fremd erscheint, sagt Jakob Lena Knebl in einem Text zu der Ausstellung „Walk on the Water“. Vom Genfer Musée d’art et d’histoire (kurz: MAH) wurde sie gebeten, die riesige Sammlung zu inspizieren, die Malerei, Skulpturen, Mode, Mobiliar und archäologische Gegenstände umfasst, und in einem von ihr kuratierten Rundgang ungewohnte Blicke auf die gewohnten Exponate zu ermöglichen. Auch einer anderen geschichtsträchtigen Figur gönnt Knebl da zeitgemäßen Komfort: Rund um eine imposante Skulptur des Pharaos Ramses II. ist ein großes rosa Plüschbett aufgebaut.
Mit ihrer Intervention habe sie auch die Höhenunterschiede zwischen Alltagsgegenständen und hehren Kunstobjekten auflösen wollen, erläutert Knebl. Der Titel „Walk on the Water“beziehe sich gleichermaßen auf ein Altarbild des gotischen Meisters Konrad Witz, das Jesus beim Wandeln über das Wasser der Genfer Bucht darstellt, wie auf den Deep-Purple-Hit „Smoke on the Water“, in dem der Genfer See pophistorisch verewigt ist.
In der Schweiz ist diese Woche die coronabedingte Sperre der Museen zu Ende gegangen. Das MAH habe mit der Wiedereröffnung aber auch inhaltlich einen „radikalen Prozess“der Neuausrichtung begonnen, heißt es in einer Aussendung. Mit den Interventionen von Jakob Lena Knebl (die 2022 mit Ashley Hanns Scheirl Österreich bei der Biennale in Venedig vertritt) werde das Museum zu einem „Theater der Möglichkeiten“. Diese können auch die Sittenwächter des 21. Jahrhunderts nicht beschränken: Im Vorjahr wurde das Museum auf Facebook zensiert, nachdem es eine antike Aktdarstellung gepostet hatte. Knebl verhüllt nun die Körperstellen der Skulpturen, die beim Facebook-Algorithmus Anstoß erregten – und lädt Besucherinnen und Besucher ein, Selfies mit den Statuen zu machen und ins Netz zu stellen.