Wir brauchen jetzt einen Pandemie-Minister
Wolfgang Mückstein sollte sich in der Regierung auf die Bewältigung der Krise konzentrieren können. Auf nichts sonst.
Aus der Sicht der Grünen war die Schaffung von zwei Superministerien zum Start der neuen Regierung im Jänner 2020 ein großer politischer Erfolg. Das eine, mit Leonore Gewessler an der Spitze, vereint Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie unter einem Dach. Das andere mit den Bereichen Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat seit Dienstag einen neuen Chef. Der bisherige Minister Rudolf Anschober musste aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Er hatte sich bis zur Selbstgefährdung überarbeitet. Am Dienstag zog er die Notbremse. Respekt.
Selbst in politisch ruhigen Zeiten – wann hat es die zuletzt gegeben? – sind solche Monsterressorts „für eh fast alles“schwer zu führen. Auch wenn die Zusammenlegung da und dort grundsätzlich sinnvoll ist. Passiert jedoch etwas Außergewöhnliches, ist es mit der Manövrierbarkeit bald vorbei. Die Lösung eines Problems ist unmöglich, wenn man sich um tausend Dinge gleichzeitig kümmern soll.
Nun konnte zum Zeitpunkt der Gründung des 1500-Mitarbeiter-Ressorts niemand wissen, dass eine Pandemie dieses Ausmaßes auf uns zurollte. Unter normalen Umständen hätte Anschober als Gesundheitsminister eine ruhige Kugel schieben und sich auf das Soziale konzentrieren können. Stattdessen brach die größte Gesundheitskrise über die Welt herein. Arbeit rund um die Uhr, keine Ferien, nicht einmal ein freier Tag, keine ruhige Nacht. Das halten selbst weniger sensible Menschen als Rudolf Anschober auf Dauer nicht aus.
Spätestens jetzt sollte man den Gesundheitsminister zumindest vorübergehend von allem politischen Ballast befreien. Der Neue muss sich auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren können, darauf, dass wir genug Impfstoff nach Österreich bekommen, darauf, dass die Krankenhäuser funktionieren, darauf, dass sein Ministerium nachvollziehbare Regeln erlässt, darauf, dass Bund und Länder wieder besser zusammenarbeiten, und darauf, dass endlich wieder mehr Vertrauen in die Arbeit der Regierung und der Politik insgesamt entsteht.
Wolfgang Mückstein kommt hier sein erlernter Beruf zugute. Als Arzt kennt er die Gefahr, die von Corona ausgehen kann, genauso gut wie die möglichen negativen Folgen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche. In seiner Praxis hat er beide Seiten hautnah erlebt. Seine Glaubwürdigkeit als Mediziner ist hoch. Die als Politiker muss er sich erst erarbeiten. Ab jetzt. Die Pandemie lässt eine Schonfrist nicht zu.