Ein Mann aus der Praxis
Der Wiener Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein wird neuer Gesundheitsminister. Wer ist der langjährige grüne Ärztekammer-Funktionär und was erwartet ihn im neuen Amt?
„Sehr menschlich, aber hart in der Sache“
„Ihr praktischer Arzt in Wien-Mariahilf.“So trat einem bis Dienstagmittag Wolfgang Mückstein, der neue Gesundheitsminister, im Internet entgegen. „Wir bemühen uns sehr, für unsere Patienten/-innen eine kontinuierliche und persönliche Betreuung zu gewährleisten“, verheißen Mückstein und sein Team. Dieses Ziel wird er in der nächsten Zeit wohl nicht einhalten können. Der Allgemeinmediziner und Begründer eines der ersten Primärversorgungszentren Österreichs – das übrigens auch Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu seinen Klienten zählt – übernimmt die derzeit wohl aufreibendste politische Funktion, die zu vergeben ist. Die des Gesundheitsministers mitten in der Coronapandemie, deren dritte Welle Österreich gerade fest im Griff hat.
Einer breiteren Öffentlichkeit ist der neue Mann im Gesundheitsministerium, der kommenden Montag angelobt wird, bisher nicht bekannt. Fachkreisen sehr wohl. Mückstein, Jahrgang 1974 und Vater zweier Töchter, war bis vor Kurzem grüner Funktionär in der Wiener Ärztekammer. In dieser Eigenschaft setzte er sich besonders dafür ein, für die Kassenärzte eine höhere Wertschätzung zu erreichen. Bei der Ärztekammer zeigte man sich dementsprechend erfreut über den neuen Gesundheitsminister, der als Hausarzt genau wisse, „wo der Schuh drückt“, wie es hieß.
Er habe gut überlegt, das Amt zu übernehmen, als Grünen-Chef Werner Kogler ihn am Montag angerufen und gefragt habe, ob er zur Verfügung stehe, sagte Mückstein am Dienstag. „Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie oberster Krisenmanager zu werden, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe“, sagte er. Ihm sei aber klar geworden, dass er mithelfen möchte, „dass wir alle so gut wie möglich durch die Pandemie kommen“. Der designierte Minister legte auch gleich die „Leitlinie“seiner Coronapolitik fest: „Unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist“, sagte Mückstein und zollte damit zugleich der Entscheidung Michael Ludwigs (SPÖ) in Wien und Johanna Mikl-Leitners (ÖVP) in Niederösterreich Respekt, den Lockdown im Osten zu verlängern. Das sei auch seine Haltung: Wenn die Intensivstationen an ihre Grenzen kämen, „dann bin ich für einen Lockdown“, betonte er.
Auch wenn Mückstein ein eher unbeschriebenes Blatt ist, kennt er den Koalitionspartner ÖVP bereits von den Regierungsverhandlungen. Er verhandelte im Herbst 2019 die Bereiche Gesundheit und Soziales mit – also exakt jene, die er jetzt als Minister übernimmt. Insofern habe er einen guten Einblick, was auf der Agenda stehe, sagte Mückstein und verwies auch auf die Pflegereform und andere Projekte des Ministeriums. Seitens des ÖVP-Parlamentsklubs hieß es, man habe Mückstein als „kompetenten Mediziner kennengelernt, der sich engagiert für die Anliegen im Gesundheitsbereich einsetzt“.
Werner Kogler wiederum rühmte den künftigen Gesundheitsminister, der in Jeans und Sneakers zur Antrittspressekonferenz erschienen war, als „Mann der Praxis, der aus vielen Jahren Erfahrung schöpfen kann“, einen Macher, der die Kraft für das Amt mitbringe. Die wird Anschobers Nachfolger auch brauchen – vor allem in den teils extrem aufreibenden und schwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, aber auch mit dem Koalitionspartner, wo die Zeichen zuletzt auf Sturm standen.
Geht es ums Verhandeln, beschreibt ihn der Allgemeinmediziner Christoph Pelanek, der mit Mückstein im Vorstand der Wiener Ärztekammer saß und ihn von da gut kennt, auf SN-Nachfrage als „menschlich und locker“, aber auch „hart in der Sache“und „extrem gut vorbereitet“. Er habe aber auch keine Scheuklappen, wenn jemand eine bessere Idee habe, sagt Pelanek. – Eigenschaften, die der neue Minister dringend brauchen wird.