Verändertes Holz könnte Strom erzeugen
Schweizer Forscher arbeiten daran, das umweltfreundliche Material mit neuen Funktionen auszustatten. Ein Pilz hilft mit.
Holz ist ein faszinierender Baustoff, der gerade in den Alpenländern eine lange Tradition hat. Holz sieht schön aus, fühlt sich gut an und sorgt für ein behagliches Raumklima. Es ist ein nachhaltiger Rohstoff mit einer für das Klima wesentlich günstigeren Kohlendioxidbilanz als Beton, Glas und Stahl. Holz lässt sich wiederverwerten.
Architekten und Forscher interessieren sich deshalb seit Längerem für das Material. In der Wissenschaft suchen Fachleute danach, was man aus dem Material noch herausholen kann. Ein jüngstes Beispiel: Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben Holz in einen Mikrogenerator verwandelt.
Ingo Burgert, Spezialist für holzbasierte Materialen am Institut für Baustoffe der ETH und der Empa, berichtet darüber: „Wir bringen zusätzliche Funktionalität in das Material, um die Anwendungsmöglichkeiten zu erweitern. Holz hat viele gute Eigenschaften, aber auf lange Sicht ist es sinnvoll, Holz auch mit neuen Funktionen auszustatten, um weniger umweltfreundliche Materialien ersetzen zu können.“
Will man mit Holz eine elektrische Spannung erzeugen, kommt der sogenannte piezoelektrische Effekt ins Spiel. Er basiert auf dem Phänomen, dass bei der Verformung bestimmter Materialien auf der Oberfläche elektrische Ladungen auftreten. Die Brüder Jacques und Pierre Curie haben dies 1880 anhand von Kristallen beschrieben. Wird ein Kristall mechanisch belastet, so kommt es zu einer Verschiebung der äußeren positiven und negativen Ladungen und damit zu einer unterschiedlichen Aufladung der beiden äußeren Flächen. „Auch Holz zeigt einen piezoelektrischen Effekt, aber dieser ist sehr gering. Um ihn zu vergrößern, ist eine chemische Veränderung der Holzzellwand notwendig“, sagt Ingo Burgert.
Holzzellwände bestehen aus drei Grundstoffen: Lignin, Hemizellulosen und Zellulose. „Das Lignin benötigt ein Baum in erster Linie, um weit in die Höhe wachsen zu können. Ohne Lignin als stabilisierenden Stoff, der die Zellen verbindet und das Ausknicken der zugsteifen
Zellulosefibrillen verhindert, wäre das nicht möglich“, erklärt Burgert.
Um Holz verformbarer zu machen, muss das Lignin zumindest teilweise herausgelöst werden. Dies gelingt mit einem relativ einfachen Verfahren, indem man das Holz in eine Mischung aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure einlegt. Im Säurebad löst sich das Lignin, übrig bleibt ein Gerüst aus Zelluloseschichten, das sich zusammenpressen lässt und sich wieder ausdehnt wie ein Schwamm. Der Prozess wird Delignifizierung genannt.
Ein weiteres Ziel der Forschungsgruppe war es, das Verfahren so abzuwandeln, dass es ohne Chemikalien auskommt. Einen geeigneten Kandidaten, der die Delignifizierung
in Form eines biologischen Prozesses vornehmen kann, fanden die Wissenschafter von der Empa in St. Gallen in der Natur: Der Pilz Ganoderma applanatum verursacht
Weißfäulnis im Holz. Er baut das Lignin und die Hemizellulose schonend ab.
Ingo Burgert und sein Team halten es für möglich, dass eines Tages ein Parkettboden dazu genutzt werden könnte, um Energie zu erzeugen. „Ein Parkettboden müsste mit einer Schicht des modifizierten Holzes ausgestattet werden. So könnte Trittenergie für Sensoranwendungen genutzt oder sogar in Strom umgewandelt werden“, sagt Ingo Burgert. Die Forscher konnten bereits zeigen, dass modifizierte Holzklötze ein einfaches LCD-Display zum Leuchten bringen, wenn diese mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet werden.
Der Werkstoff Holz bietet darüber hinaus noch viele Möglichkeiten für neue Anwendungen: Die Forscher an der Empa und der ETH Zürich arbeiten in ihren Projekten unter anderem daran, hochfestes, wasserabweisendes oder magnetisierbares Holz herzustellen. In einem weiteren Vorhaben geht es darum, Holz weniger brennbar zu machen, was vor allem für die Bauindustrie interessant wäre. Durch einen Mineralisierungsprozess können die Forscher die Einlagerung von Kalziumkarbonat oder Struvit in die Holzsubstanz erreichen. Die Wärmefreisetzung und die Rauchentwicklung werden verringert und im Fall des Minerals Struvit ist auch die Entflammbarkeit deutlich reduziert.
„Eines unserer Ziele ist ein Parkettboden, der Strom erzeugt.“