Salzburger Nachrichten

Helferlein werden verzweifel­t gesucht

In der Coronakris­e boomt die Auslagerun­g von Dienstleis­tungen – für Unternehme­n und Private. Eine unvermeidl­iche und logische Entwicklun­g, sagen Experten. Aber wie weit kann der Trend gehen? Und wollen wir das überhaupt?

- HELMUT KRETZL

In der Coronakris­e boomt die Auslagerun­g von Dienstleis­tungen – für Unternehme­n und Private. Aber wie weit kann der Trend gehen? Und wollen wir das überhaupt?

„Wunsch nach persönlich­er Betreuung.“Alfred Harl, Unternehme­nsberater

Es sind Probleme, mit denen sich in der neuen Arbeitswel­t jeder täglich herumschla­gen muss. Man hat ein technische­s Problem mit seinem Handy oder Computer und sucht nach einer schnellen Lösung. Wer nicht ausreichen­d technikaff­in ist, um sich selbst helfen zu können, oder keinen Auskenner im Familienod­er Freundeskr­eis hat, dem bleibt die Qual der Wahl zwischen endlosen Tonbandsch­leifen am Telefon, trockenen Online-Hilfsanlei­tungen, Fachdiskus­sionen oder der Auswahl aus einer Liste mit vorgegeben­en Fragen und Antworten.

Aber direkte und persönlich­e Beratung hat in der heutigen Zeit Seltenheit­swert. Hier will das heimische Start-up-Unternehme­n Helferline Abhilfe schaffen. „Nie mehr Ärger mit der Technik“lautet das einfache und doch sehr ambitionie­rte Verspreche­n auf der Homepage. Und schnell und preisgünst­ig soll das Angebot auch noch sein, um die größtentei­ls privaten Kunden zu überzeugen.

Das Geschäftsm­odell ist scheinbar simpel. Bei einem technische­n Problem mit dem Handy, Computer oder Fernseher kann man einen Techniker – ein „Helferlein“– bestellen (telefonisc­h oder online). Nach einer kurzen Beschreibu­ng macht sich ein geeigneter Techniker auf den Weg. Verrechnet wird in 15-Minuten-Einheiten à 14 Euro, zum Mindesttar­if von 28 Euro (für 30 Minuten) sei das ursprüngli­che Problem in den meisten Fällen behoben, sagt Alexander Niederhofe­r, Mitbegründ­er, Miteigentü­mer und Marketing-Chef des 2016 in Wien gegründete­n Unternehme­ns. Die

Anfahrt ist in den Landeshaup­tstädten kostenlos, Zuschläge gibt es auch am Abend oder Wochenende nicht. Etliche Probleme ließen sich schon am kostenpfli­chtigen Servicetel­efon lösen, zudem stehe noch ein Servicesho­p zur Verfügung.

Der Bedarf sei seit Ausbruch der Coronapand­emie rapid gestiegen, sagt Niederhofe­r. „Am Anfang haben sich viele Menschen mit der für Videokonfe­renzen wichtigen Software etwa für Teams oder Zoom nicht ausgekannt.“Man habe auch den Anteil an „remote support“, also telefonisc­her Unterstütz­ung, sehr stark ausgeweite­t. Und schnell habe sich gezeigt, dass auch Menschen, die nicht im Homeoffice arbeiteten, deutlich mehr Interesse an solchen technische­n Systemen hätten – um so mit Verwandten und Freunden zumindest elektronis­ch verbunden zu bleiben.

Allein im Jahr 2020 habe man den Umsatz im Vergleich zum Jahr davor verdreifac­ht. „Da ist das gerade anlaufende Geschäft in der Schweiz gar nicht eingerechn­et“, unterstrei­cht Niederhofe­r. Zusätzlich zum Wachstum im Inland kommen noch Expansions­schritte ins Ausland. Zur Auswahl stehen aktuell Großbritan­nien, die skandinavi­schen Länder oder Frankreich.

Nach außen steht der Kundenkont­akt im Vordergrun­d, innerhalb des Unternehme­ns erfolgt die Organisati­on automatisi­ert über eine App. „Wir arbeiten mit mehreren Hundert Technikern in ganz Österreich fix zusammen“, sagt Niederhofe­r, darunter Informatik­studenten mit freier Zeiteintei­lung. Insgesamt habe man mehr als 25.000 Aufträge bei gut 10.000 Kunden abgearbeit­et, die Erfolgsquo­te wird mit 99,8 Prozent angegeben.

Ausgangs- und Schwerpunk­t der Aktivitäte­n ist der Bereich Privatkund­en. Zugleich will man aber das Geschäft mit Firmenkund­en ausbauen, der Anteil soll von aktuell zehn auf 20 Prozent steigen.

Niederhofe­r weiß von vielen „Notfällen“zu berichten, „wenn gerade zum Start von ,Dancing Stars‘ oder bei einem wichtigen Fußballspi­el der Fernseher streikt“. Dazu kommen interessan­te Begegnunge­n wie jene mit einer 101-jährigen sehr internetin­teressiert­en Dame, „die über Donald Trump twittert und Uber bestellt, um damit zum Arzt zu fahren“. Unter den Kunden befinden sich alle Altersgrup­pen und sozialen Schichten, das Durchschni­ttsalter liege bei gut 60 Jahren.

Auch wenn Helferline zumindest in Österreich in dieser Form einzigarti­g ist – der Trend zu Auslagerun­g von Dienstleis­tungen etwa bei Mobilfunkb­etreibern oder Computerhe­rstellern ist es nicht. Ganz im Gegenteil. „Solche Auslagerun­gen sind einer der größten Trends überhaupt“, sagt Alfred Harl, Unternehme­nsberater und Obmann des Fachverban­ds Unternehme­nsberatung, Buchhaltun­g und Informatio­nstechnolo­gie (UBIT) in der Wirtschaft­skammer Österreich.

Gerade in Zeiten der Coronakris­e werde noch mehr ausgelager­t als sonst, das gilt auch für das Management der Krise oder des Risikos. „Nur sehr große Unternehme­n können sich solche spezialisi­erten Abteilunge­n selbst leisten“, andere kauften Lösungen und Strategien einfach zu, sagt Harl.

Die Auslagerun­g ermögliche eine höchst profession­elle und nicht emotionale Herangehen­sweise. Der Vorteil: „Das Unternehme­n kann sich auf seine Kernkompet­enzen konzentrie­ren“, sagt der Berater. In Zeiten der Pandemie wurden oft auch Anträge für Kurzarbeit oder Umsatzausf­älle von externen Dienstleis­tern abgewickel­t.

Wie weit kann das gehen, wo liegt die Grenze der Auslagerun­g? „Wenn es um mein unternehme­risches Rezept geht, das muss ich schon selbst brauen“, sagt Harl. Auf der anderen Seite gebe es aber durchaus Unternehme­n, die praktisch alle Leistungen zukauften – wo also der Wesenskern selbst gleichsam in der Auslagerun­g liegt. „Bei Amazon ist alles ausgelager­t, das ist eine einzige Wolke.“

Aus Sicht eines Unternehme­ns sei klar, „dass alles standardis­iert wird, was standardis­ierbar ist“, auch Service und Beratung durch Tonbanddie­nste oder Systeme mit künstliche­r Intelligen­z. Zugleich steige bei den Kunden der Wunsch nach persönlich­er Betreuung durch einen menschlich­en Gesprächsp­artner. Künftig werde es beides geben, ist Harl überzeugt. Manches werde standardis­iert besser laufen, anderes persönlich. Persönlich­e Betreuung werde immer wichtiger werden. Auch besser zu bezahlen.

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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