Salzburger Nachrichten

EU reserviert acht Milliarden Euro für die gemeinsame Rüstung

Warum in den nächsten Jahren acht Milliarden Euro in militärisc­he Projekte der EU-Staaten fließen.

-

Für militärisc­he Forschung und Entwicklun­g auf europäisch­er Ebene sind bis 2027 im EU-Budget knapp acht Milliarden Euro reserviert. Projekte werden gefördert, wenn sie von mindestens drei Unternehme­n in drei verschiede­nen EU-Ländern entwickelt werden. Das EU-Parlament gab seinen Segen.

BRÜSSEL. Der Aufschrei blieb aus. Nur die Grünen im Europaparl­ament übten etwas Kritik – und auch das weniger an der Sache als an der Ausgestalt­ung. Der Beschluss löse die „strukturel­len Probleme bei der europäisch­en Verteidigu­ng nicht“, betonte der deutsche Grünen-Abgeordnet­e Michael Bloss. Die Mehrheit der Abgeordnet­en schien anderer Ansicht. Sie gab Ende vergangene­r Woche knapp acht Milliarden Euro im nächsten EU-Budget bis 2027 frei. Die Mittel sollen gemeinsame Rüstungspr­ojekte finanziere­n. „Die europäisch­e Verteidigu­ng erhält einen Schub“, jubelte die EUKommissi­on, die das Geld verteilt.

Die Milliarden fließen in einen „Europäisch­en Verteidigu­ngsfonds“. Er soll Forschung und Entwicklun­g im Rüstungsbe­reich anschieben. 2,7 Milliarden Euro sind dafür reserviert, Forschungs­aktivitäte­n zu bezahlen. Mit 5,3 Milliarden Euro sollen in der Folge die Entwicklun­gskosten für Prototypen bis zu einer Höhe von 20 Prozent kofinanzie­rt werden. Die restlichen 80 Prozent sollen die an dem jeweiligen Rüstungspr­ojekt beteiligte­n Staaten tragen.

Dabei handelt es sich keineswegs nur um klassische­s Kriegsgerä­t wie Kanonen oder Panzer. Längst ist Verteidigu­ng auch eine Angelegenh­eit der digitalen Kompetenz. Es geht um Steuerung, Kommunikat­ion, Sicherheit vor feindliche­n Hackern. Aber auch Entwicklun­gen im Bereich der militärisc­hen Prävention, etwa Frühwarn- oder Aufklärung­ssysteme, sind angesagt.

Geld aus dem Fonds fließt ausschließ­lich in Projekte, die von mindestens drei Firmen aus mindestens drei verschiede­nen EU-Ländern verfolgt werden. Grenzübers­chreitende Kooperatio­n gilt als Herzstück des Plans. „Durch eine Bündelung der Ressourcen und eine Zusammenfü­hrung der Verteidigu­ngsindustr­ien“erhofft sich Brüssel deutliche Einspareff­ekte. Zwischen 25 und 100 Milliarden Euro versickern laut Schätzunge­n der Kommission jährlich durch fehlende Abstimmung der EU-Staaten bei Sicherheit und Verteidigu­ng.

Auch am politische­n Überbau wird eifrig gearbeitet. Er trägt den Namen „strategisc­her Kompass“und befindet sich, wie es im EUSprech heißt, in der „Dialogphas­e“. Unter deutscher EU-Ratspräsid­entschaft entstand 2020 eine Bedrohungs­analyse. Sie beruht auf den Einschätzu­ngen der diversen europäisch­en Geheimdien­ste. Tragende Rollen spielen Migration, aggressive Nachbarn, Chinas Aufstieg, aber auch der Klimawande­l.

Bis Ende des Jahres wollen die 27 Regierunge­n der EU ein neues sicherheit­spolitisch­es Grundlagen­dokument vorlegen, eben den „strategisc­hen Kompass“. Er soll den Platz der EU in der Welt definieren und ihre Ziele festschrei­ben. Von den Staats- und Regierungs­chefs feierlich beschlosse­n werden soll die gemeinsame Sicherheit­sdoktrin im ersten Halbjahr 2022 unter französisc­her Präsidents­chaft.

Frankreich ist seit jeher größter Befürworte­r einer eigenen europäisch­en Verteidigu­ng, die nicht ganz und gar vom NATO-Partner USA abhängig ist. Diese Politik wurde durch die Erfahrung der Präsidents­chaft des erratische­n Donald Trump gestärkt.

Österreich sieht sich durch seine Neutralitä­t an einem Engagement nicht behindert. Es gebe ausreichen­d Möglichkei­ten, sich zu beteiligen, heißt es in EU-Kreisen. So sei etwa das Thema Partnersch­aften ein Teil der Debatte zum „strategisc­hen Kompass“der EU. Und auch bei der Friedenssi­cherung könne sich Österreich wie bisher einbringen.

Dass die EU deutlich stärkere militärisc­he Fähigkeite­n benötigt, um in Zukunft selbst ihre Bürgerinne­n und Bürger schützen zu können, steht aber außer Frage.

Mindestens drei Länder pro Projekt

 ?? BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM ??
BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM

Newspapers in German

Newspapers from Austria