Die Politik soll auf die Praktiker hören
Die Regierung lädt zu einem runden Tisch zum Thema häusliche Gewalt. Ohne zusätzliches Geld wird sich die Lage kaum verbessern.
Das Innenministerium veranstaltete nach den jüngsten Frauenmorden in Österreich eine eilends einberufene Sicherheitskonferenz, zu der auch die Frauen- und die Justizministerin geladen wurden. Nur auf die Vertreterinnen und Vertreter jener Organisationen, die sich seit Jahr und Tag in der Praxis mit Gewalttätern und ihren Motiven sowie mit der Not der Opfer befassen, hat die Politik vorerst einmal vergessen. Ein runder Tisch soll demnächst folgen. Es geht also um politische Effekthascherei.
Denn was wäre jetzt passiert, wenn es nicht einen vergleichsweise prominenten Verdächtigen, der noch dazu schon eine führende Politikerin einer Regierungspartei in eine gerichtliche Auseinandersetzung gezwungen hat, gäbe? Jede Wette: gar nichts.
Nun ist es zwar gut, wenn die zuständigen Regierungsmitglieder persönlich Betroffenheit zeigen, aber das allein verändert noch nichts. Es geht, wie immer, auch um mehr Geld, um konkrete Hilfsangebote zu finanzieren oder Maßnahmen setzen zu können.
Ein leider schlechtes Beispiel dafür, wie halbherzig die Politik sich mit häuslicher Gewalt beschäftigt, sind die sogenannten Fallkonferenzen. Wie der Name schon sagt, dienen sie dazu, in gravierenden Einzelfällen genau hinzuschauen und interdisziplinär Maßnahmen zu setzen. Unter Türkis-Blau wurde das Instrument abgeschafft, im Vorjahr kam es unter Türkis-Grün wieder – aber plötzlich soll nur noch die Polizei wissen, wann so eine Einzelfallbetrachtung angesagt ist? Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt fand dafür einen treffenden Vergleich: „Das ist, als ob Ärzte vor einer Diagnose behandeln.“
Die Polizei hat mit der Möglichkeit, gegen Gewalttäter ein Betretungsverbot auszusprechen, ein probates Mittel für den Akutfall, das sich bewährt hat. Für längerfristige Maßnahmen, von der Prävention bis zur Therapie, muss Österreich noch bessere Lösungen finden. Unser Land ist reich genug, sich das leisten zu können.