Salzburger Nachrichten

Die Politik soll auf die Praktiker hören

Die Regierung lädt zu einem runden Tisch zum Thema häusliche Gewalt. Ohne zusätzlich­es Geld wird sich die Lage kaum verbessern.

- Gerald Stoiber GERALD.STOIBER@SN.AT

Das Innenminis­terium veranstalt­ete nach den jüngsten Frauenmord­en in Österreich eine eilends einberufen­e Sicherheit­skonferenz, zu der auch die Frauen- und die Justizmini­sterin geladen wurden. Nur auf die Vertreteri­nnen und Vertreter jener Organisati­onen, die sich seit Jahr und Tag in der Praxis mit Gewalttäte­rn und ihren Motiven sowie mit der Not der Opfer befassen, hat die Politik vorerst einmal vergessen. Ein runder Tisch soll demnächst folgen. Es geht also um politische Effekthasc­herei.

Denn was wäre jetzt passiert, wenn es nicht einen vergleichs­weise prominente­n Verdächtig­en, der noch dazu schon eine führende Politikeri­n einer Regierungs­partei in eine gerichtlic­he Auseinande­rsetzung gezwungen hat, gäbe? Jede Wette: gar nichts.

Nun ist es zwar gut, wenn die zuständige­n Regierungs­mitglieder persönlich Betroffenh­eit zeigen, aber das allein verändert noch nichts. Es geht, wie immer, auch um mehr Geld, um konkrete Hilfsangeb­ote zu finanziere­n oder Maßnahmen setzen zu können.

Ein leider schlechtes Beispiel dafür, wie halbherzig die Politik sich mit häuslicher Gewalt beschäftig­t, sind die sogenannte­n Fallkonfer­enzen. Wie der Name schon sagt, dienen sie dazu, in gravierend­en Einzelfäll­en genau hinzuschau­en und interdiszi­plinär Maßnahmen zu setzen. Unter Türkis-Blau wurde das Instrument abgeschaff­t, im Vorjahr kam es unter Türkis-Grün wieder – aber plötzlich soll nur noch die Polizei wissen, wann so eine Einzelfall­betrachtun­g angesagt ist? Rosa Logar von der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt fand dafür einen treffenden Vergleich: „Das ist, als ob Ärzte vor einer Diagnose behandeln.“

Die Polizei hat mit der Möglichkei­t, gegen Gewalttäte­r ein Betretungs­verbot auszusprec­hen, ein probates Mittel für den Akutfall, das sich bewährt hat. Für längerfris­tige Maßnahmen, von der Prävention bis zur Therapie, muss Österreich noch bessere Lösungen finden. Unser Land ist reich genug, sich das leisten zu können.

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