Banausischer Nachtrag zum Tag der Arbeit
Warum der Festgegenstand des 1. Mai einst als veritables Unglück galt.
Zum zweiten Mal in Folge musste der Tag der Arbeit heuer in virtueller Form stattfinden, und das gleich in doppeltem Sinne. Die eine Virtualität war der sattsam bekannten Spaßbremse C geschuldet. Sie zwang die werktätigen Massen dazu, ihren Maiaufmarsch nicht auf der Straße, sondern daheim am Sofa zu unternehmen. Die andere Virtualität liegt hingegen seit Anbeginn im Wesen des 1. Mai begründet. Am Tag der Arbeit wird der Festgegenstand virtuell geehrt, jedoch real vermieden, sprich: Es wird nix gehackelt.
Das ist einerseits logisch, denn am Nationalfeiertag ist man ja auch nicht national. Andererseits dürfte es aber auch tiefer sitzende, weit zurückliegende Gründe haben. Denn man muss ehrlich sagen: Dass die Arbeit so hoch angesehen ist, dass man ihr einen eigenen Feiertag widmet, ist historisch gesehen eine relativ neue Entwicklung. Die längste Zeit hatte die Arbeit bei Weitem keinen so guten Ruf, wie man aus den Erlebnissen des ersten Traumpaars der Geschichte weiß.
Adam und Eva vergnügten sich mit der perfekten Work-Life-Balance von 0 zu 100 im Konsum- und Wellnesstempel Paradies. Erst, als sie sich einen „Apple to go“(wie man heute sagen würde) aufschwatzen ließen, wurden sie dazu verdammt, im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot zu essen. Was die beiden (sozusagen die skandalumwitterten Harry und Meghan der Urzeit) bekanntlich auf alle ihre Nachfahren vererbten, bis zum heutigen Tag.
Kein Wunder, dass Arbeit anfangs keinen guten Ruf genoss, wie schon die Wortherkunft zeigt: Das Wort Arbeit geht angeblich auf den indogermanischen Wortstamm „orbho“zurück, was „Waise“bedeutete und ein Kind bezeichnete, das ohne elterlichen Schutz von Fremden zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen wurde. Im Deutschen stand Arbeit daher ursprünglich für eine unwürdige, mühselige Tätigkeit, Mühsal und Plage. Damals hätte man am 1. Mai wohl eher „Die Arbeit nieder!“als „... hoch!“gesungen.
Noch weniger Verständnis für die Arbeit hatten die alten Griechen. Sie erklärten jeden taxfrei zum Banausen, der arbeitete. Im Begriff Banause steckte das Wort für Ofen. Er bezeichnete also zunächst jene, die am offenen Feuer werken mussten, im übertragenen Sinne aber alle, die für Geld einer körperlichen Arbeit nachgingen. Das war nach Ansicht der griechischen Müßiggänger insofern von Übel, als man dann ja keine Zeit hatte, über Gott und die Welt nachzudenken und klug zu werden. Stattdessen blieb man eben ein Banause.
Weshalb es vielleicht gar nicht so wirklich beruhigend ist, dass alle unsere Politiker am 1. Mai feierlich gelobten, unermüdlich für mehr Arbeitsplätze zu arbeiten.
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