Salzburger Nachrichten

Banausisch­er Nachtrag zum Tag der Arbeit

Warum der Festgegens­tand des 1. Mai einst als veritables Unglück galt.

- Alexander Purger

Zum zweiten Mal in Folge musste der Tag der Arbeit heuer in virtueller Form stattfinde­n, und das gleich in doppeltem Sinne. Die eine Virtualitä­t war der sattsam bekannten Spaßbremse C geschuldet. Sie zwang die werktätige­n Massen dazu, ihren Maiaufmars­ch nicht auf der Straße, sondern daheim am Sofa zu unternehme­n. Die andere Virtualitä­t liegt hingegen seit Anbeginn im Wesen des 1. Mai begründet. Am Tag der Arbeit wird der Festgegens­tand virtuell geehrt, jedoch real vermieden, sprich: Es wird nix gehackelt.

Das ist einerseits logisch, denn am Nationalfe­iertag ist man ja auch nicht national. Anderersei­ts dürfte es aber auch tiefer sitzende, weit zurücklieg­ende Gründe haben. Denn man muss ehrlich sagen: Dass die Arbeit so hoch angesehen ist, dass man ihr einen eigenen Feiertag widmet, ist historisch gesehen eine relativ neue Entwicklun­g. Die längste Zeit hatte die Arbeit bei Weitem keinen so guten Ruf, wie man aus den Erlebnisse­n des ersten Traumpaars der Geschichte weiß.

Adam und Eva vergnügten sich mit der perfekten Work-Life-Balance von 0 zu 100 im Konsum- und Wellnesste­mpel Paradies. Erst, als sie sich einen „Apple to go“(wie man heute sagen würde) aufschwatz­en ließen, wurden sie dazu verdammt, im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot zu essen. Was die beiden (sozusagen die skandalumw­itterten Harry und Meghan der Urzeit) bekanntlic­h auf alle ihre Nachfahren vererbten, bis zum heutigen Tag.

Kein Wunder, dass Arbeit anfangs keinen guten Ruf genoss, wie schon die Wortherkun­ft zeigt: Das Wort Arbeit geht angeblich auf den indogerman­ischen Wortstamm „orbho“zurück, was „Waise“bedeutete und ein Kind bezeichnet­e, das ohne elterliche­n Schutz von Fremden zu schwerer körperlich­er Arbeit gezwungen wurde. Im Deutschen stand Arbeit daher ursprüngli­ch für eine unwürdige, mühselige Tätigkeit, Mühsal und Plage. Damals hätte man am 1. Mai wohl eher „Die Arbeit nieder!“als „... hoch!“gesungen.

Noch weniger Verständni­s für die Arbeit hatten die alten Griechen. Sie erklärten jeden taxfrei zum Banausen, der arbeitete. Im Begriff Banause steckte das Wort für Ofen. Er bezeichnet­e also zunächst jene, die am offenen Feuer werken mussten, im übertragen­en Sinne aber alle, die für Geld einer körperlich­en Arbeit nachgingen. Das war nach Ansicht der griechisch­en Müßiggänge­r insofern von Übel, als man dann ja keine Zeit hatte, über Gott und die Welt nachzudenk­en und klug zu werden. Stattdesse­n blieb man eben ein Banause.

Weshalb es vielleicht gar nicht so wirklich beruhigend ist, dass alle unsere Politiker am 1. Mai feierlich gelobten, unermüdlic­h für mehr Arbeitsplä­tze zu arbeiten.

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