Salzburger Nachrichten

„Täter sehen sich nicht als gefährlich“

Die Wiener Gerichtsps­ychiaterin Sigrun Roßmanith fordert deutlich mehr staatliche Maßnahmen gegen Gewalttäte­r. Im normalen Strafvollz­ug sei das kaum möglich. Das Problem beginne schon bei der meist fehlenden Einsicht der Täter.

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WIEN. Die renommiert­e Psychiater­in und Gerichtssa­chverständ­ige Sigrun Roßmanith, die sich beruflich seit Jahrzehnte­n mit schwersten Gewalttate­n auch im häuslichen Bereich beschäftig­t, macht sich keine Illusionen: Die Zahl an Frauenmord­en in Österreich werde nicht so schnell sinken, denn ein Umdenken finde in der Gesellscha­ft nur ganz langsam statt.

„Gewaltanwe­ndung hat immer noch einen positiven Stellenwer­t für Männlichke­it“, sagt Roßmanith, und es passe in den Zeitgeist, dass „alles, was nicht dem eigenen Wunsch entspricht, einfach niedergema­cht wird“wie in den sozialen

Medien. Frauen seien zwar körperlich unterlegen, aber als soziale Wesen das stärkere Geschlecht. So sei es für Frauen völlig normal, sich bei

Problemen Hilfe zu holen, aber Männern werde das über weite Strecken noch als Schwäche ausgelegt. Gesellscha­ftlich hätten Männer keinen Opferstatu­s und könnten sich dadurch praktisch nirgends hinwenden. Anderersei­ts: „Der überangepa­sste Mann ist auch uninteress­ant und wird nicht begehrt.“

Das Besitzdenk­en sei heute wieder stärker und es gebe weniger Toleranz als früher. Gleichzeit­ig sei der „Ehrbegriff“wieder stärker, das sei wieder salonfähig. „Ich möchte nicht wissen, wie viele jetzt sagen: ,Frauen haben das verdient‘“, erklärt die Sachverstä­ndige. Dazu komme, dass in manchen Kulturen Frauen einfach keine Rechte hätten.

Frauenhäus­er und die angeschlos­senen Beratungss­tellen hätten immer zu wenig Geld. Roßmanith fordert mehr und strengere staatliche Maßnahmen gegen Gewalttäte­r. „Männer, die weggewiese­n werden, muss man sich schon anschauen. Eine Beratung allein genügt nicht, oft ist auch eine Behandlung nötig.“Schließlic­h seien Drogen wie Alkohol oder verbotene Suchtgifte eben auch „Türöffner für Gewalt“. Außerhalb des gerichtlic­hen Maßnahmenv­ollzugs – der verpflicht­enden Behandlung von Straftäter­n – gebe es in der Strafhaft kaum Konsequenz­en. „Wenn sich einer nicht behandeln lässt, dann sitzt er eben nur seine Strafe ab“, sagt Roßmanith. Die Bewährungs­hilfe (Verein Neustart) sei gut für erste Schritte, aber bei einer längerfris­tigen Therapie heiße es meistens: Fehlanzeig­e.

Aus ihrer Erfahrung sagt die Fachärztin, dass auch Gewalttäte­r nach einer Tat meist reumütig seien, „aber sie verstehen die Tat selbst nicht. Die meisten haben keine Einsicht in ihre Gefährlich­keit.“Die Taten würden dann als Reaktion auf das Fehlverhal­ten anderer, etwa eine Provokatio­n durch das Gegenüber oder durch Dritte, dargestell­t und nicht als das, was sie nun einmal seien: „Die Taten sind Ausdruck einer narzisstis­chen Kränkung, die als unerträgli­ch empfunden wird. Das ist eigentlich nichts anderes als der Schrei eines Kindes, wenn jemand nicht tut, was es will.“Diese Täter seien einfach nicht konfliktfä­hig. Umgekehrt machten sich viele Frauen zu viele Illusionen und seien zu wenig konsequent. Wenn aber ein Gewalttäte­r trotz einer Wegweisung eingelasse­n werde, werde das oft sehr schnell wieder ausgenutzt.

„Viele Frauen sind zu wenig konsequent.“

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Sigrun Roßmanith, Psychiater­in
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