Die Österreicher sehen die EU so negativ wie nie
Europaweit liegt die Zustimmung zur Gemeinschaft in der Pandemie aber so hoch wie seit 2009 nicht.
Der Großteil der EU-Bürger hat derzeit ein gutes Bild von der Union. Die Portugiesen etwa – das Land war einer der Krisenstaaten während der Finanzkrise und lange unter Brüsseler Sparauflagen – fallen in der aktuellen EurobarometerUmfrage mit Rekordwerten auf: 76 Prozent der Bevölkerung sehen die EU positiv. Einen Rekordwert liefert auch Österreich. Noch nie zuvor standen so viele Bürger der EU ablehnend gegenüber: Nur 35 Prozent sehen sie positiv, nur in Griechenland sind es noch weniger. Im EUSchnitt liegt die Zustimmung bei 48 Prozent.
25 Prozent der befragten Österreicher haben ein dezidiert negatives Bild von der EU, das ist der höchste Wert unter allen Ländern. Und ein „historischer Tiefststand“ für Österreich, wie Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Wien, am Montag vor Journalisten sagte. Woran das liege, „überlasse ich Ihrer Analyse“, ergänzte der Kabinettchef des ehemaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.
Ein Grund für die schlechte Stimmung gegenüber der EU sei vermutlich die Wirtschaftslage, sagte Selmayr. Ob die Kritik von Kanzler Sebastian Kurz an der Impfstoffverteilung in der EU auch ein Mitgrund sei, ließ der Diplomat unbeantwortet. Die Eurobarometer-Umfrage wurde Mitte Februar bis Mitte März durchgeführt. Gegen Ende dieses Zeitraums hatte Kurz öffentlich von einem „Impfbasar“in der EU gesprochen. Es habe Fehler gegeben, an denen „Brüssel genauso schuld wie Wien“sei, sagte Selmayr dazu. Und: „Ich freue mich über jeden Tweet, wo der Bundeskanzler darauf hinweist, dass Ursula von der Leyen Dosen organisiert hat.“
Skeptischer als andere EU-Bürger sind die Österreicher auch, was den europäischen Aufbauplan betrifft. Nur 54 Prozent seien überzeugt, die Coronahilfen würden funktionieren, berichtete Selmayr aus den Umfragen. In den Niederlanden, die wie Österreich in den Verhandlungen zu den „Frugalen Vier“gehörten, sind es 64 Prozent.
Die eigenen Investitionspläne hat die österreichische Regierung Freitagnacht bei der EU-Kommission eingereicht. Sie seien „extrem ehrgeizig“, meinte Selmayr nach erster Durchsicht. Die genaue Prüfung dauert noch etwa zwei Monate.
Klar scheint bereits, dass die Hauptkriterien erfüllt seien: Mindestens 37 Prozent der Gesamtausgaben müssten für Investitionen und Reformen zum Schutz vor dem Klimawandel aufgewendet, mindestens 20 Prozent in den digitalen Wandel investiert werden. Beide Ziele habe Österreich übererfüllt.
Wie schnell das Geld für die Investitionspläne fließt, ist nur ein Kriterium, nach dem die Bürger die EU in den nächsten Monaten bewerten werden. Näher dürfte ihnen die Reisefreiheit sein. Da warnte Selmayr am Montag vor zu hohen Erwartungen. Was man mit dem „grünen Pass“in den einzelnen Ländern darf, wird nicht einheitlich sein. „Es wird am Anfang ein Fleckerlteppich sein.“Er sei aber zuversichtlich, dass das grüne Zertifikat „bis Sommer“kommt. Diskutiert wird etwa noch, mit welchen Vakzinen eine Impfung im „grünen Pass“anerkannt wird.
Die EU-Kommission in Brüssel schlug den Mitgliedsstaaten indes vor, die Beschränkungen für nicht zwingend notwendige Reisen zu lockern. So sollte etwa vollständig Geimpften die Einreise grundsätzlich erlaubt sein – auch wenn die epidemiologische Lage in ihrem Herkunftsland nicht gut ist.