Für Häuslbauer wird es immer noch teurer
Die Bauwirtschaft hat sich in der Krise widerstandsfähig wie kaum eine zweite Branche gezeigt. Der aktuelle Nachfrageboom wird verstärkt durch Lieferengpässe und baufreudige Chinesen.
Die heimische Wirtschaft befindet sich nach monatelangem Lockdown und Lieferproblemen wieder im Aufwind. Als besonders robust hat sich die Bauindustrie erwiesen, die bereits wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat.
Als Folge des aktuellen Baubooms kommt es zu massiven Preissteigerungen
bei den wichtigsten Baustoffen wie Stahl, Holz oder Kunststoffprodukten. Das Besondere an der aktuellen Situation ist, dass eine stark steigende Nachfrage in gleich mehreren Bereichen mit Verknappungen und Lieferengpässen zusammenfällt. Verantwortlich dafür sind zu einem Großteil die Auswirkungen der Coronapandemie. Dazu kommt aber noch ein deutlich gestiegener Hunger nach Rohstoffen aus China und den USA.
Ein baldiges Ende der Preissteigerungen sei nicht in Sicht, sagt Wirtschaftsforscher Michael Klien. Zum einen sei die hohe Dynamik speziell im Wohnbau weiter ungebrochen, wozu auch staatliche Stützungen ihren Beitrag leisteten. Dazu kämen die anhaltend tiefen Zinsen. Davon profitierten private Häuslbauer in Form günstiger Kredite. Zugleich steige aber der Wunsch nach einer Veranlagung – auch in Form einer Immobilie. Was wiederum die Nachfrage erhöhe.
WIEN. Die Kosten für Baustoffe steigen und steigen. Die Gründe dafür sind vielfältig und greifen massiv ineinander. Man könnte es als einen Dominoeffekt beschreiben, zu dem noch eine Reihe coronabedingter Sonderfaktoren kommt wie unterbrochene Lieferketten oder aus Kostengründen geleerte Lager, die nun in verschiedensten Bereichen zu Lieferengpässen führen. Angeheizt wird der Boom durch staatliche Förderungen wie die Investitionsprämie oder Sanierungshilfen.
Als ob das nicht reichen würde, kommen dazu noch Phänomene wie Beinahe-Monopol-Strukturen in Teilbereichen wie der Ziegelproduktion, sagt Ewald Unterweger, Einkaufsleiter beim Baukonzern Porr. Alles zusammen habe zu einer Situation geführt, „die nicht lustig ist“. Die Bauindustrie stehe „vor einer doppelten Herausforderung, wir müssen die Preise managen und auch die Verfügbarkeit“. Denn der beste Preis helfe nichts, wenn keine Ware vorhanden sei.
Dass die Preise fürs Bauen im Steigflug sind, erleben nicht nur Häuslbauer am eigenen Leib, das bestätigen auch aktuelle Zahlen der Statistik Austria. Laut dem jüngsten Baukostenindex lagen die Preise im Wohnbau insgesamt im März 2021 um 5,5 Prozent über jenen des Vorjahresmonats. Abzüglich der sehr moderaten Lohnerhöhungen bleibt eine Erhöhung der Materialkosten von durchschnittlich neun Prozent – allein in den ersten drei Monaten 2021. In einzelnen Bereichen ist der Anstieg freilich deutlich höher.
Zu den stärksten Preistreibern gehören Stahl und Stahlprodukte wie Baustahlgitter, diverse Kunststoffprodukte wie etwa Rohre sowie Holz. Der Stahlpreis habe schon im Vorjahr um 50 Prozent zugelegt, sagt Unterweger. Ähnlich ist die Preisentwicklung beim wiederentdeckten Naturbaustoff Holz. Baufertiges Schnittholz koste jetzt um die Hälfte mehr als voriges Jahr, sagt Wolfgang Hutter, Sägewerkbesitzer im Lungau und Obmann der Fachgruppe Holzindustrie in Salzburg. Gemessen am Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre habe sich der Preis verdoppelt.
Neben der coronagetriebenen Baulust gibt es bei Holz internationale Verschiebungen: Weil Kanada durch die Borkenkäferplage und Zollstreitigkeiten als Lieferant ausfiel, kaufen die USA jetzt in Europa – zu jedem Preis. Auch China hat noch mehr Hunger nach Holz, weil es seit Mitte April auf Russland als Lieferanten verzichten muss. Das alles habe ein „Vakuum“erzeugt und lässt die Preise fast schon tageweise steigen. „Ich bin seit 42 Jahren in der Branche, aber das habe ich noch nie erlebt“, sagt Hutter.
An Holz mangle es nicht – spätestens wenn die Schneemengen im Süden Österreichs geschmolzen sind. Hutter beliefert, so wie viele der 950 kleineren Sägebetriebe in Österreich, seine Stammkunden wie im Vorjahr. Für neue gebe es hierzulande und im restlichen Europa kaum Kapazitäten. Anfragen kämen mittlerweile aus Kanada, Indien oder Afghanistan, erzählt er, weil die ganze Welt Holz zum Bauen entdecke. Eine Prognose, ob sich der Run beruhigen wird, wagt er nicht. Die Holzbaufirmen müssten sich aber „an höhere Preise und längere Lieferzeiten gewöhnen“.
Tatsache ist, dass die heimische Bauwirtschaft derzeit brummt wie kaum eine andere Branche. „Die Stimmung in der Bauwirtschaft ist extrem positiv. Nirgendwo sonst sind die Firmen so euphorisch“, sagt Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo.
Das hängt zum einen damit zusammen, dass dieser Sektor sich bereits in einer sehr starken Verfassung befand, als die erste Welle der Coronapandemie die Wirtschaft vorübergehend zum Stillstand brachte. Die Branche habe sich als extrem widerstandsfähig erwiesen. Nach relativ kurzen Schließungen im Frühjahr 2020 kam es zu einer raschen Erholung. Aktuell liegen die Auftragsstände wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. In der monatlichen Wifo-Befragung geben 92 Prozent der Unternehmen an, mit dem Auftragsniveau zufrieden zu sein – das entspricht dem Stand vor der Krise. 43 Prozent sagen, es gebe keinerlei Beeinträchtigung in der Bautätigkeit.
Interessant ist die Begründung für Hemmnisse in der Bautätigkeit. Mit 34 Prozent der Nennungen ist ein Mangel an Arbeitskräften der größte Faktor. Dahinter folgt aber bereits ein Mangel an Material und Kapazitäten mit 16 Prozent. Dieser Faktor hat sich seit dem Monat davor (März) mehr als verdreifacht. Über Auftragsmangel klagen nur sieben Prozent der Bauunternehmen.
„Monopole erzeugen ein Vakuum.“
Ewald Unterweger, Porr-Einkaufsleiter