„Am Anfang ist da nur Widerstand“
Das Verhalten eines gewalttätigen Mannes grundlegend zu ändern ist möglich. Dafür nötige Angebote sind aber kaum vorhanden.
WIEN. Anfangs seien es immer dieselben Dinge, die Alexander Haydn zu hören bekomme: Warum bin ich hier, ich habe sie ja nur geschubst, eigentlich ist die Frau schuld, das Gericht hat mich dazu gezwungen. Im Schnitt landen pro Jahr 100 gewalttätige Männer bei dem Psychotherapeuten und seinen Kolleginnen im Antigewaltprogramm in der Männerberatung Wien. „Es ist ein dynamischer Prozess. Der eine geht, der andere kommt.“Was dazu führe, dass jene, die schon länger dabei seien, Neuankömmlinge gleich einmal unter ihre Fittiche nähmen.
„In der Praxis ist ein Mann ein ganzes Jahr bei uns“, sagt Haydn. Allein 32 Gruppensitzungen gilt es zu absolvieren. „Die Gewalt wird minutiös aufgearbeitet. Und der gewalttätigste Fall vor allen anderen im Detail geschildert.“Die soziale Schicht spiele keinerlei Rolle, sagt der Psychotherapeut. „Wir haben Männer aus Afghanistan ebenso bei uns wie Polizisten und Anwälte.“
Aller Anfang sei schwer. „Da ist nur Widerstand.“Der Täter müsse langsam an eine Verhaltensänderung herangeführt werden, meint Haydn. „Das ist kein Wochenendprogramm.“Antigewalttrainings werden aktuell aber nur in Wien und Graz angeboten.
Ab 1. Juli soll es für Gewalttäter ein verpflichtendes sechsstündiges Beratungsgespräch geben. „Das Projekt war international ausgeschrieben. Wir wissen immer noch nicht, wer das werden soll. Wir hatten im Vorjahr 11.500 Betretungsverbote, das sind 11.500 potenziell zu Beratende.“Es gehe das Gerücht um, dass eine Sicherheitsfirma den Zuschlag bekommen soll. „Das wäre eine Katastrophe“, sagt Haydn.
Vom Ergebnis des Sicherheitsgipfels am Montag ist er enttäuscht:
„Wieder einmal viel Lärm um nichts. Frustrierend.“Nicht viel anders die Reaktionen der Opferschutzeinrichtungen. Maria Rösslhumer von den Autonomen Frauenhäusern lobte zwar, dass man Punkte wie den geforderten Ausbau der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen aufgegriffen habe, aber es handle sich um ein Maßnahmenpaket ohne Budget. Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie vermisst einen Ausbau des Opferschutzes, für den es Geld und Personal brauche. Konkret: 3000 Stellen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat auf die Kritik mit einer klaren Zusage für mehr Mittel geantwortet. „Am Geld wird es nicht scheitern“, sagte er am Dienstag.
Psychotherapeut Alexander Haydn von der Männerberatung verweist nachdrücklich auf die große Bedeutung der Antigewalttrainings: „Ich mach das jetzt schon sehr lange. Aber wir hatten hier bei uns noch keinen Mann, der am Ende des Trainings gesagt hat: Das war alles Blödsinn.“
„Im Schnitt ist ein Mann ein Jahr bei uns.“
Alexander Haydn,
Männerberatung