Warum Kinder den Job so schwer machen
Zu wenige Betreuungsplätze, zu kurze Öffnungszeiten, zu wenige Väter in Karenz: Geht es um Job und Kind, ist Österreich kein Vorbild.
WIEN. Die Coronapandemie hat auch eines schonungslos gezeigt: Geht es um Heim, Familie und Betreuungsaufgaben, stehen nach wie vor die Frauen an vorderster Front. „Homeoffice, Homecooking, Homeschooling, Homecleaning“: So fasste am Dienstag Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl die Mehrfachbelastung der Frauen in der Coronakrise zusammen und sieht darin die in den vergangenen Jahren mühsam erkämpfte Chancengleichheit von Mann und Frau in Gefahr. Dass man sich hier zurückbewege, dürfe nicht passieren, betont Anderl, „dazu braucht es Maßnahmen“. Es dürfe nicht sein, „dass Frauen das Nichthandeln der Politik bei Bildung und Arbeit aushalten müssen“.
Eine Entlastung von Müttern und Eltern sei mehr denn je notwendig. Dazu brauche es etwa eine bessere Kinderbetreuung mit ganztägigen und flächendeckenden Bildungseinrichtungen, parallel dazu mehr Jobs in der Kinderbetreuung sowie eine Aufstockung der Mittel für Kinderbildung. Im europäischen
Durchschnitt würden die EU-Länder rund ein Prozent ihres BIP dafür aufwenden, weit darüber liegen etwa Island, Dänemark, Schweden und Norwegen. „Österreich liegt mit 0,67 Prozent dagegen weit darunter“, betont Anderl. Um hier aufzuschließen, brauche es rund eine Milliarde Euro. Damit könnten
„Dürfen uns nicht zurückbewegen.“
Renate Anderl, AK-Präsidentin
32.000 neue Betreuungsplätze entstehen, für fast 70.000 Plätze bessere Öffnungszeiten zustande kommen und – je nach Konjunkturlage – bis zu 31.000 Menschen aufgrund besserer Vereinbarkeit von Job und Kind eine berufliche Tätigkeit aufnehmen. Darüber hinaus fordert man „für alle, die wollen“, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag und ein Familienteilzeitmodell, um die Betreuungspflichten unter den Eltern besser aufzuteilen. „Den Unternehmen
soll bewusst werden, dass sich beide Elternteile Zeit für die Familie nehmen“, sagt Anderl.
Auch AMS-Chef Johannes Kopf ist für mehr Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung. „Es ist gerade viel von der neuen Normalität nach Corona die Rede, es wäre schön, wenn Väterkarenz dazugehört“, betont Kopf. Auch er unterstreicht die Rolle der Betriebe. Viele junge Väter würden heute gern mehr Familienarbeit leisten, „aber das gehört stark unterstützt und ein bisschen dazu gedrängt“. Vergesse man auf die Väter, „verlieren die Betriebe zu viele weibliche Fachkräfte, weil diese zu lange in Teilzeit bleiben“. Mit einer Teilzeitquote von 27 Prozent hat Österreich im EU-Vergleich den dritthöchsten Wert. Nur die Niederlande liegen hier höher, „aber nur deshalb, weil Männer und Frauen sich die Kinderbetreuung teilen“, sagt Kopf. In den Niederlanden liegt die Teilzeitquote bei den erwerbstätigen Männern bei 28 Prozent, in Österreich bei neun Prozent.