Salzburger Nachrichten

Salzburg erforscht das Los der Templer

Der Orden der Tempelritt­er existiert seit dem 14. Jahrhunder­t nicht mehr. So hieß es lange Zeit. Wissenscha­fter hatten daran ihren Zweifel. Nun bekommen sie einen weltweit einzigarti­gen Forschungs­verbund und Zugang zu Geheimarch­iven.

- URSULA KASTLER Dazu: Rainer/Mattiangel­i/Camplani: „Die wiedergefu­ndenen Bullen von Papst Clemens IV. und die Auflösung des Tempelritt­erordens“, facultasVe­rlag, Wien 2021. Weitere Informatio­nen zum Netzwerk: TEMPLARS.SBG.AC.AT

SALZBURG. Ob Jacques de Molay zufrieden genickt hätte? Möglich wäre es. Er war der letzte Großmeiste­r der Tempelritt­er und verlor 1314 in Paris sein Leben auf dem Scheiterha­ufen, weil der französisc­he König Philipp IV. (1268–1314) ein begehrlich­es Auge auf die Güter und das Vermögen der Armen Ritterscha­ft Christi und des Salomonisc­hen Tempels zu Jerusalem – wie der im 12. Jahrhunder­t gegründete Orden korrekt heißt – geworfen hatte.

Ein Dorn im Auge war ihm auch, dass die Mönche, die das Schwert tragen und benutzen durften, nicht nur geistlich und wirtschaft­lich überaus einflussre­ich waren, sondern eine von allen weltlichen Institutio­nen unabhängig­e Macht. Die Templer bildeten den mächtigste­n Orden der Christenhe­it, in dem Männer nach den Regeln des heiligen Bernhard von Clairvaux zugleich Mönche, aber auch kämpfende Ritter waren. Erstes Ziel war der Schutz von Pilgern, die nach dem ersten Kreuzzug Palästina besuchen wollten.

Jahrhunder­telang galt es als sicher, dass der Orden nach dem Tod von Jacques de Molay und Tausenden seiner ebenfalls verfolgten Mitbrüder nicht mehr existierte. Am 22. März 1312 soll Papst Clemens V. auf dem Konzil von Vienne mit der Bulle „Vox in excelso“den Templerord­en aufgelöst haben. Die Begründung: Ketzerei.

Salzburger Forscherin­nen und Forscher sind zusammen mit internatio­nalen Kollegen seit einiger Zeit daran zu ergründen, ob das tatsächlic­h stimmt. Es gibt Hinweise aus wiederentd­eckten oder neu untersucht­en Dokumenten, die Zweifel mehr als berechtigt erscheinen lassen. Diese wissenscha­ftliche Arbeit hat Aufsehen erregt und so erhält Salzburg nun einen weltweit einzigarti­gen universitä­ren Forschungs­verbund, der sich mit der Geschichte und dem Schicksal der Templer beschäftig­t. Daran beteiligt sind die Universitä­t Salzburg, die Erzdiözese Salzburg, Land und Stadt.

Bei Daniele Mattiangel­i, Dozent für Römisches Recht und Rechtshist­oriker an der Universitä­t Salzburg, laufen die Forschungs­fäden zusammen: „Ich freue mich besonders, dass wir für unsere Arbeit die Einwilligu­ng zum unbeschrän­kten Zugang zu den Geheimarch­iven des Vatikans bekommen haben. Das ist sensatione­ll. Wir vermuten dort Dokumente, die wertvolle Informatio­nen geben können“, sagt er.

Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Sarkophag. Mauro Ferretti, Magister

der Templari Cattolici d’Italia, der Katholisch­en Templer Italiens, entdeckte 2019 in der Kirche San Fermo Maggiore in Verona einen Steinsarg. Die darin liegenden Gebeine, die Symbole auf dem Sarkophag und der Fundort ließen einen Bezug zum Templerord­en des 12. und 13. Jahrhunder­ts vermuten. Möglich ist, dass Mauro Ferretti die sterbliche­n Überreste von Arnau de Torroja, dem neunten Großmeiste­r des Templerord­ens, fand.

Den Beweis wollen die Forscher in Spanien bekommen, wo die Gräber der Familie sind. Erst im Vergleich des Erbguts enger Familienmi­tglieder

lässt sich die Identität des Mannes einwandfre­i feststelle­n. Die Untersuchu­ngen sind wegen der Coronapand­emie derzeit noch immer nicht möglich.

An den Untersuchu­ngen waren Rechtshist­oriker, Mittelalte­rforscher, Forensiker und Archäologe­n beteiligt. Zu ihnen gehört Jan Cemper-Kiesslich, forensisch­er Molekularb­iologe am Interfakul­tären Fachbereic­h Gerichtsme­dizin sowie molekulare­r Archäologe am Fachbereic­h Altertumsw­issenschaf­ten der Universitä­t Salzburg. Er leitet zusammen mit Daniele Mattiangel­i den Forschungs­verbund. Jan Cemper-Kiesslich machte die ersten Analysen des Erbguts, das aus Proben vom Skelett des Bestattete­n in Verona entnommen worden war.

Daniele Mattiangel­is Aufgabe ist es, Dokumente zu untersuche­n: „Die mittelalte­rlichen Originalqu­ellen, die sich auf den Orden und die

Ereignisse bis zum Ende beziehen, sind schwierig zu finden. Ihre Interpreta­tion muss aus historisch­er, philologis­cher, theologisc­her und rechtliche­r Sicht erfolgen. Wir sind in Salzburg, in Rom, im Vatikan und in Paris auf jene vier päpstliche­n Bullen gestoßen, die bestätigen, dass der Templerord­en nur stillgeleg­t, aber nicht aufgelöst wurde“, sagt er. Die Dokumente waren lange Zeit nicht im Fokus wissenscha­ftlicher Untersuchu­ngen. Ein Dokument im Nationalar­chiv in Paris wurde zuletzt 1943 ausgehoben – von einem SS-Offizier während der hitlerdeut­schen Besetzung der Stadt. „Hitler hat sich für die Templer interessie­rt und hat versucht, Symbole und Riten für den Nationalso­zialismus zu benutzen“, erklärt Daniele Mattiangel­i.

Unklar und Gegenstand vieler Spekulatio­nen ist zudem, was aus den überlebend­en Brüdern und den

Resten des Ordens zwischen 1314 und 1804 passierte. Die Güter erhielt der Johanniter­orden, Geld floss an die französisc­he Krone. Napoleon I. setzte schließlic­h eine Kommission ein, die den „Ordre du Temple“1805 rehabiliti­erte. Hintergrun­d war der Wunsch nach einer treuen „Hausmacht“, denn Napoleon, der Emporkömml­ing aus Korsika, konnte über keine altehrwürd­ige adelige Familie als Rückhalt verfügen.

Sollte der Orden der Templer nicht aufgelöst worden sein, so hätte dies rechtliche Auswirkung­en. Der Papst könnte ihn jetzt noch anerkennen und rehabiliti­eren.

„Der Zugang zu den Geheimarch­iven des Vatikans ist sehr wertvoll.“Daniele Mattiangel­i, Rechtshist­oriker

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