Salzburg erforscht das Los der Templer
Der Orden der Tempelritter existiert seit dem 14. Jahrhundert nicht mehr. So hieß es lange Zeit. Wissenschafter hatten daran ihren Zweifel. Nun bekommen sie einen weltweit einzigartigen Forschungsverbund und Zugang zu Geheimarchiven.
SALZBURG. Ob Jacques de Molay zufrieden genickt hätte? Möglich wäre es. Er war der letzte Großmeister der Tempelritter und verlor 1314 in Paris sein Leben auf dem Scheiterhaufen, weil der französische König Philipp IV. (1268–1314) ein begehrliches Auge auf die Güter und das Vermögen der Armen Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels zu Jerusalem – wie der im 12. Jahrhundert gegründete Orden korrekt heißt – geworfen hatte.
Ein Dorn im Auge war ihm auch, dass die Mönche, die das Schwert tragen und benutzen durften, nicht nur geistlich und wirtschaftlich überaus einflussreich waren, sondern eine von allen weltlichen Institutionen unabhängige Macht. Die Templer bildeten den mächtigsten Orden der Christenheit, in dem Männer nach den Regeln des heiligen Bernhard von Clairvaux zugleich Mönche, aber auch kämpfende Ritter waren. Erstes Ziel war der Schutz von Pilgern, die nach dem ersten Kreuzzug Palästina besuchen wollten.
Jahrhundertelang galt es als sicher, dass der Orden nach dem Tod von Jacques de Molay und Tausenden seiner ebenfalls verfolgten Mitbrüder nicht mehr existierte. Am 22. März 1312 soll Papst Clemens V. auf dem Konzil von Vienne mit der Bulle „Vox in excelso“den Templerorden aufgelöst haben. Die Begründung: Ketzerei.
Salzburger Forscherinnen und Forscher sind zusammen mit internationalen Kollegen seit einiger Zeit daran zu ergründen, ob das tatsächlich stimmt. Es gibt Hinweise aus wiederentdeckten oder neu untersuchten Dokumenten, die Zweifel mehr als berechtigt erscheinen lassen. Diese wissenschaftliche Arbeit hat Aufsehen erregt und so erhält Salzburg nun einen weltweit einzigartigen universitären Forschungsverbund, der sich mit der Geschichte und dem Schicksal der Templer beschäftigt. Daran beteiligt sind die Universität Salzburg, die Erzdiözese Salzburg, Land und Stadt.
Bei Daniele Mattiangeli, Dozent für Römisches Recht und Rechtshistoriker an der Universität Salzburg, laufen die Forschungsfäden zusammen: „Ich freue mich besonders, dass wir für unsere Arbeit die Einwilligung zum unbeschränkten Zugang zu den Geheimarchiven des Vatikans bekommen haben. Das ist sensationell. Wir vermuten dort Dokumente, die wertvolle Informationen geben können“, sagt er.
Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Sarkophag. Mauro Ferretti, Magister
der Templari Cattolici d’Italia, der Katholischen Templer Italiens, entdeckte 2019 in der Kirche San Fermo Maggiore in Verona einen Steinsarg. Die darin liegenden Gebeine, die Symbole auf dem Sarkophag und der Fundort ließen einen Bezug zum Templerorden des 12. und 13. Jahrhunderts vermuten. Möglich ist, dass Mauro Ferretti die sterblichen Überreste von Arnau de Torroja, dem neunten Großmeister des Templerordens, fand.
Den Beweis wollen die Forscher in Spanien bekommen, wo die Gräber der Familie sind. Erst im Vergleich des Erbguts enger Familienmitglieder
lässt sich die Identität des Mannes einwandfrei feststellen. Die Untersuchungen sind wegen der Coronapandemie derzeit noch immer nicht möglich.
An den Untersuchungen waren Rechtshistoriker, Mittelalterforscher, Forensiker und Archäologen beteiligt. Zu ihnen gehört Jan Cemper-Kiesslich, forensischer Molekularbiologe am Interfakultären Fachbereich Gerichtsmedizin sowie molekularer Archäologe am Fachbereich Altertumswissenschaften der Universität Salzburg. Er leitet zusammen mit Daniele Mattiangeli den Forschungsverbund. Jan Cemper-Kiesslich machte die ersten Analysen des Erbguts, das aus Proben vom Skelett des Bestatteten in Verona entnommen worden war.
Daniele Mattiangelis Aufgabe ist es, Dokumente zu untersuchen: „Die mittelalterlichen Originalquellen, die sich auf den Orden und die
Ereignisse bis zum Ende beziehen, sind schwierig zu finden. Ihre Interpretation muss aus historischer, philologischer, theologischer und rechtlicher Sicht erfolgen. Wir sind in Salzburg, in Rom, im Vatikan und in Paris auf jene vier päpstlichen Bullen gestoßen, die bestätigen, dass der Templerorden nur stillgelegt, aber nicht aufgelöst wurde“, sagt er. Die Dokumente waren lange Zeit nicht im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Ein Dokument im Nationalarchiv in Paris wurde zuletzt 1943 ausgehoben – von einem SS-Offizier während der hitlerdeutschen Besetzung der Stadt. „Hitler hat sich für die Templer interessiert und hat versucht, Symbole und Riten für den Nationalsozialismus zu benutzen“, erklärt Daniele Mattiangeli.
Unklar und Gegenstand vieler Spekulationen ist zudem, was aus den überlebenden Brüdern und den
Resten des Ordens zwischen 1314 und 1804 passierte. Die Güter erhielt der Johanniterorden, Geld floss an die französische Krone. Napoleon I. setzte schließlich eine Kommission ein, die den „Ordre du Temple“1805 rehabilitierte. Hintergrund war der Wunsch nach einer treuen „Hausmacht“, denn Napoleon, der Emporkömmling aus Korsika, konnte über keine altehrwürdige adelige Familie als Rückhalt verfügen.
Sollte der Orden der Templer nicht aufgelöst worden sein, so hätte dies rechtliche Auswirkungen. Der Papst könnte ihn jetzt noch anerkennen und rehabilitieren.
„Der Zugang zu den Geheimarchiven des Vatikans ist sehr wertvoll.“Daniele Mattiangeli, Rechtshistoriker