Wie die Pandemie den Radverkehr verändern könnte
Etwa 20 Prozent der Wege werden in Salzburg mit dem Rad zurückgelegt. So war das zumindest vor der Pandemie. Martin Loidl geht davon aus, dass es in Zukunft noch mehr sein werden. Er ist Geoinformatiker an der Universität Salzburg und forscht seit Jahren zum Mobilitätsverhalten. „Die Gewinner des vergangenen Jahres sind das Auto und das Fahrrad“, sagt Loidl. Allein im Auto zu sitzen oder mit dem Rad an der frischen Luft zu fahren schien für viele attraktiver zu sein, als zu Stoßzeiten im Bus zu sitzen.
Sieht man sich die Daten der Zählstelle am Rudolfskai in Salzburg an, zeigt sich folgendes Bild: Insgesamt brausten an der Zählstelle im vergangenen Jahr weniger Salzburger vorbei als noch im Jahr zuvor. Vor allem unter der Woche nahm die Zahl der Radfahrer ab – um 19,3 Prozent. Auch an den Wochenenden waren im Vorjahr weniger Radler unterwegs, wenn auch nur um zehn Prozent.
Wie passt das zusammen? Martin Loidl: „Das Fahrrad zählt zwar zu den Gewinnern der Pandemie, dennoch gingen die Zahlen zurück, da Touristen, Berufspendler und Studierende wegfielen.“Langfristig
werde sich die neue Lust am Radfahren jedoch positiv auswirken. Loidl betont, dass die Pandemie eine große Chance für den Radverkehr sei. „Mobilität ist von Routinen geprägt. Diese werden aber nicht freiwillig unterbrochen.“Vor allem in Zeiten von Umbrüchen überdenken Menschen ihr Verhalten, sagt der Experte. „Das kann die erste eigenen Wohnung, das erste Kind oder ein Jobwechsel sein. Aber auch durch Corona ist ein Umdenken wahrscheinlich. „Dazu gibt es mittlerweile auch eine breite Studienlage“, sagt Loidl.
Großstädte wie Wien, Berlin, Sevilla, Paris, Straßburg, New York oder Bogotá wiesen im vergangenen Jahr Pop-up-Radwege aus. Radfahrer konnten vorübergehend eine Fahrbahnspur oder einen Parkstreifen nutzen. „Diese neuen Wege haben den Radverkehr in diesen Städten maßgeblich erhöht“, sagt Loidl. Das belegt auch eine Studie in 106 europäischen Städten des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC: Durch temporäre Radwege vermehrte sich die Zahl der Radler um elf bis 48 Prozent. So wurde in Paris unter anderem die zentrale Verkehrsachse Rue de Rivoli am Louvre zur Fahrradstraße umgewandelt. Loidl nennt auch Berlin als Positivbeispiel in Sachen Radverkehr. Auch dort wollte man vermeiden, dass die Menschen durch die Krise dauerhaft auf das Auto umsteigen. 27 Kilometer vorübergehend eingerichtete Radwege sollten dies verhindern. „Österreich hinkt im Radverkehr massiv hinterher und Salzburg noch viel mehr“, sagt Loidl.
Doch wer fährt in der Mozartstadt überhaupt wann und warum mit dem Rad? Dazu veröffentlichte ein Forscherteam des Geoinformatikers im vergangenen Herbst eine Studie. „Wir befragten 1000 Salzburger und ermittelten vier Radfahrtypen.“Diese sind: der Freizeitradler, der nur bei Sonnenschein fährt, der pragmatische Radler, der möglichst schnell an sein Ziel kommen will und dabei Geld sparen will, der sportliche Radfahrer, der bei jedem Wetter fährt, und der Frischluftfahrer, der seiner Gesundheit und der Umwelt Gutes tun möchte. Welcher dieser Typen durch Corona am meisten Zuwächse bekommen könnte? „Vermutlich alle – sollte die Infrastruktur für den Radverkehr in Salzburg ausgebaut werden.“
„Salzburg hinkt im Radverkehr massiv hinterher.“